Krieg in der Ukraine Lwiws Bürgermeister kritisiert mangelnde Hilfe

Berlin/Genf · Die Lage in den Kampfgebieten in der Ukraine ist katastrophal, und dort, wo Geflüchtete ankommen, sind Behörden überwältigt. Lwiws Bürgermeister kritisiert die internationale Hilfe als zu schleppend.

Eine geflüchtete Familie aus Kiew sitzt in einem Keller in Lwiw.

Eine geflüchtete Familie aus Kiew sitzt in einem Keller in Lwiw.

Foto: AP/Bernat Armangue

Der Bürgermeister der westukrainischen Stadt Lwiw, Andrij Sadowyj, fühlt sich von den internationalen Hilfsorganisationen im Stich gelassen. „Nicht eine internationale Organisation war vorbereitet, obwohl seit einem halben Jahr alle von einem möglichen russischen Angriff geredet haben“, sagte Sadowyj der „Süddeutschen Zeitung“. Bis heute gebe es keine „effektiven internationalen Notfallpläne“. Sadowyj nannte keine Hilfsorganisation beim Namen.

Ein Sprecher des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) teilte auf Anfrage mit: „Das Ausmaß, die Intensität und das Leid des Konflikts übersteigen jede Vorstellungskraft.“ Man wisse aus Erfahrung, dass der Bedarf an humanitärer Hilfe bei großen Krisen die Reaktionskapazitäten zunächst übersteigen könne. „Wir tun alles in unserer Macht stehende, um den am meisten gefährdeten Menschen und denjenigen, die unter den Kämpfen leiden, zu helfen“, antwortete Chris Hanger per Email. Das IKRK sei seit acht Jahren vor Ort, und der Einsatz in der Ukraine sei bereits vor dem russischen Einmarsch nach Budget eine der zehn größten Einsätze des IKRK gewesen.

Lwiw liegt im Westen der Ukraine, rund 80 Kilometer vor der Grenze zu Polen. „In den ersten zehn Tagen haben wir alle Flüchtlinge aufgenommen, die hierbleiben wollten. Jetzt sind alle Hotels, Jugendherbergen und Wohnungen voll“, sagte Sadowyj der „SZ“. „Wir haben die Menschen in etwa 500 Schulen, Turnhallen, Theatern, Kulturzentren oder Gemeindezentren untergebracht. Bei 200 000 Personen waren unsere Kapazitäten erschöpft.“ In der Region Lwiw seien noch einmal so viele Menschen untergekommen.

Das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) arbeite bereits mit Lokalbehörden zusammen, um mehr Aufnahmeplätze zu schaffen, sagte UNHCR-Sprecher Boris Cheshirkov. „In den vergangenen eineinhalb Wochen haben UNHCR-Mitarbeiter mit den Lokalbehörden 22 Gebäude für in Augenschein genommen, die für eine Renovierung oder Unterbringung in Frage kommen“, sagte der Bulgare. Bei fünf können die Arbeit beginnen.

Das UNHCR starte in Lwiw gerade ein Bargeldprogramm, das in einem ersten Schritt 360 000 Geflüchteten Geld für Mieten, Nahrungsmittel und Hygieneartikel zur Verfügung stellt. In Lwiw seien 500 Matratzen und Decken für Unterkünfte verteilt worden. Unterstützung sei auch für Familien geplant, die Flüchtende aufgenommen haben. In Jarowiw weiter westlich seien 3000 Decken für Ankömmlinge verteilt worden.

Der Bürgermeister sieht auch Bedarf für die längerfristige Unterbringung: „Wir können die Menschen nicht ewig in einem Turnsaal oder auf einer Theaterbühne unterbringen. Wir haben schon etliche Dutzend Hektar Land festgelegt, um dort solche Häuser hochzuziehen.“

Cheshirkov sagte: „Was den Bedarf von Wohnraum im Allgemeinen angeht, stimmt das UNHCR voll und ganz zu, dass dies eines der Hauptbedürfnisse der Millionen von Binnenvertriebenen in der Ukraine ist und sein wird, die aus zerstörten oder beschädigten Häusern geflohen sind.“ Auch dafür seien die Pläne bereits angelaufen.

(zim/dpa)
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