Streit mit der Türkei Krach um Konya

Berlin · Der nächste Eklat zwischen Deutschland und der Türkei ist da. Doch dieses Mal geht es um mehr als bilaterale Beziehungen. Es geht um die Nato und die gemeinsame Bündnisfähigkeit.

Awacs-Aufklärungsflugzeuge der Nato in Konya (Archivbild).

Awacs-Aufklärungsflugzeuge der Nato in Konya (Archivbild).

Foto: dpa, andrea hohenforst axs

Die türkische Regierung verweigert Bundestagsabgeordneten den Besuch bei Bundeswehr-Soldaten, die im Rahmen einer Nato-Mission auf dem türkischen Stützpunkt Konya stationiert sind. Von dem deutsch-türkischen Streit sind die Prinzipien der gesamten atlantischen Allianz berührt.

Worum geht es genau?

Im Kampf gegen die Terrormiliz IS starten von Konya aus Awacs-Aufklärungsflüge. An dem türkischen Flughafen sind nur zehn bis 15 deutsche Soldaten stationiert. Aber auch diese wenigen Soldaten sind Teil der Bundeswehr und damit einer Parlamentsarmee. Bundestagsabgeordnete müssen jederzeit die Möglichkeit haben, die im Ausland stationierten Soldaten zu besuchen, um sich vom Einsatz ein Bild machen zu können. Dieses Besuchsrecht verweigert die Türkei.

Warum dürfen die Abgeordneten nicht die Bundeswehr-Soldaten in Konya besuchen?

Militärische oder sicherheitstechnische Gründe gibt es nicht. Vielmehr muss das Besuchsverbot als weitere Eskalationsstufe im schlechten deutsch-türkischen Verhältnis gewertet werden. Derzeit zieht die Bundeswehr schon ihre Aufklärungs-Tornados aus Incirlik ab, die dort als Teil der Anti-IS-Allianz im Einsatz sind. Dass Präsident Recep Tayyip Erdogan nun auch das Besuchsrecht in Konya nicht mehr gewährt, dürfte seine Antwort auf die Weigerung der Bundesregierung sein, ihn während des G 20-Gipfels in Deutschland öffentlich vor seinen Anhängern sprechen zu lassen. Die Türkei kritisiert Deutschland auch scharf dafür, dass im Zusammenhang mit dem Putschversuch nach Deutschland geflüchtete Offiziere hier Asyl bekommen können. Die Türkei verlangt ihre Auslieferung. Deutschland besteht auf rechtsstaatlichen Asylverfahren.

Wird die Bundeswehr nun auch aus Konya abziehen?

Darüber gehen die Meinungen auseinander. "Wenn sich in den nächsten Wochen nichts Positives bewegt, dass entweder der Nato-Generalsekretär oder die Bundeskanzlerin dieses Besuchsrecht durchsetzt, dann müssen wir das deutsche Kontingent in Konya abziehen", sagte SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold. Die Bundesregierung agiert defensiver. "Ich halte es nicht für sinnvoll, jetzt hier Zeiterwartungen in den Raum zu stellen oder Zeitfristen zu nennen", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert.

Welche Strategie gibt es, um das Besuchsrecht zu erwirken?

Der frühere Generalinspekteur der Bundeswehr, Harald Kujat, sagt, das Problem könne nur in der Nato gelöst werden: "Dafür muss Deutschland eine Sonder-Außenministerkonferenz verlangen." Es könne nicht sein, dass Deutschland sich von der Türkei vorführen lasse, betonte Kujat. Er warnte aber auch: "Deutschland sollte die Soldaten zunächst nicht einseitig abziehen. Dann haben wir den Schwarzen Peter." Vielmehr müsse der Türkei innerhalb des Bündnisses klargemacht werden, dass Deutschland nach seinen Gesetzen den Einsatz nicht durchführen könne, wenn seine Parlamentarier die Soldaten nicht besuchen dürften. Auf dieser Grundlage müsse die Nato eine Entscheidung treffen. Kujats Fazit: "Entweder wird es einvernehmlich entschieden, dass die deutschen Parlamentarier die Soldaten in Konya besuchen dürfen - oder der gesamte Awacs-Einsatz, der ja primär im Interesse der Türkei erfolgt, wird beendet."

Stehen bei diesem Streit Einsatz-und Bündnisfähigkeit der Nato auf dem Spiel?

Der Anti-IS-Kampf ist in einer wichtigen Phase. Der Awacs-Einsatz sollte also keinesfalls abgebrochen werden. Die Arbeit der wenigen deutschen Soldaten könnten auch andere Nato-Partner in Konya übernehmen. Doch damit wären die wichtigen Prinzipien der Nato von gemeinsamer Verteidigung und Solidarität untereinander infrage gestellt. Es wäre, als nähme man aus den tragenden Säulen des Bündnisses ein paar Steine heraus. Das bringt das Konstrukt noch nicht zum Einsturz, aber es können Sollbruchstellen entstehen.

Können Deutschland und die Türkei die Streitfrage auch bilateral lösen?

Wohl kaum. Die Liste schwerer diplomatischer Verwerfungen zwischen Deutschland und der Türkei ist mittlerweile unübersichtlich. Schwer wiegen die Vorwürfe der Türkei gegenüber Deutschland, nicht nur Putsch-Verantwortliche zu decken, sondern auch Terroristen der PKK. Deutschland wiederum kritisiert die antidemokratischen Entwicklungen in der Türkei. Bundeskanzlerin Angela Merkel machte deutlich, dass sie das Besuchsrecht bei den Soldaten nicht durch Nachgeben bei anderen Forderungen der Türkei erkaufen will.

(qua / hom)
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