MeToo-Debatte in Dänemark Kopenhagens OB tritt nach Vorwurf der sexuellen Belästigung zurück

Kopenhagen · Die verspätete MeToo-Debatte in Dänemark hat auch das Rathaus von Kopenhagen erreicht: Neue Vorwürfe führen zum sofortigen Rücktritt von Oberbürgermeister Frank Jensen. Schon 2004 war Jensen Fehlverhalten gegenüber Frauen vorgeworfen worden.

 Der Oberbürgermeister von Kopenhagen, Frank Jensen, bei einer Gedenkveranstaltung. (Archivbild)

Der Oberbürgermeister von Kopenhagen, Frank Jensen, bei einer Gedenkveranstaltung. (Archivbild)

Foto: dpa/Britta Pedersen

Der langjährige Oberbürgermeister von Kopenhagen, Frank Jensen, tritt nach Vorwürfen des Fehlverhaltens gegenüber Frauen mit sofortiger Wirkung von seinem Posten zurück. Auch sein Amt als stellvertretender Vorsitzender der dänischen Sozialdemokraten lege er nieder, sagte der 59-Jährige am Montag auf einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz im Stadtteil Islands Brygge.

Er könne seine politische Arbeit nicht fortsetzen, ohne dass die Geschehnisse einen Schatten darauf werfen würden, sagte Jensen. Er sei glücklich über die Erfolge der vergangenen Jahre und wolle den Fortschritten der Stadt nicht im Wege stehen. „Das ist die richtige Entscheidung“, erklärte die sozialdemokratische Ministerpräsidentin Mette Frederiksen auf Facebook.

Schon 2004 und 2011 war Jensen Fehlverhalten gegenüber Frauen vorgeworfen worden. Am Freitag berichtete die Zeitung „Jyllands-Posten“, dass zwei weitere Frauen Anschuldigungen erheben, Jensen habe sich ihnen gegenüber ebenfalls sexuell kränkend verhalten.

Dabei ging es zum einen um einen Vorfall aus dem Jahr 2012, bei dem er einer damals 23 Jahre alten Parteikollegin in einer Bar die Hand auf den Oberschenkel gelegt und diese dann unter ihrem Rock hochwandern lassen habe. Eine weitere Frau sagte der Zeitung, dass sie 2017 ebenfalls gegen ihren Willen von Jensen angefasst worden sei. Wie „Jyllands-Posten“ am Sonntag berichtete, gibt es weitere Vorwürfe, die sich von den 1990er Jahren bis 2019 erstrecken.

Jensen selbst entschuldigte sich nach einem von ihm einberufenen Krisentreffen im Rathaus am Sonntagabend für sein Verhalten. Eine Mehrheit seiner lokalen Parteifreunde stehe dahinter, dass er Bürgermeister bleibe, hatte er da noch gesagt.

Jensen ist seit mehr als 30 Jahren in der dänischen Politik aktiv. Erst saß er jahrelang als Abgeordneter im dänischen Parlament, dann wurde er Wissenschafts- und später Justizminister. 2005 kandidierte er für den Parteivorsitz der Sozialdemokraten, unterlag aber gegen die spätere Ministerpräsidentin Helle Thorning-Schmidt. Seit 2010 war er Kopenhagens Oberbürgermeister - ein Amt, das nun erst einmal sein Parteikollege Lars Weiss übernehmen soll. Vizevorsitzender der Sozialdemokraten war er seit knapp acht Jahren.

Nachdem die MeToo-Bewegung vor drei Jahren in Dänemark weniger stark gewesen war als etwa in den USA oder in Schweden, ist die Debatte um sexuelles Fehlverhalten von oft mächtigen Männern nun mit Verzögerung beim nördlichsten deutschen Nachbarn angekommen. Stein des Anstoßes war eine Enthüllung der Moderatorin Sofie Linde Ende August. Seitdem haben sich Frauen aus verschiedenen Branchen zu Wort gemeldet.

Unter anderem hatten Ende September 322 Frauen einen Beitrag in der Zeitung „Politiken“ unterzeichnet, in dem geschildert wurde, dass es in der dänischen Politik zu Sexismus, sexueller Schikane und Machtmissbrauch komme. Jensen ist dabei nicht der erste dänische Politiker, der wegen Anschuldigungen im Zuge der Debatte von einem Spitzenamt zurücktritt: Vor gut zwei Wochen hatte auch der Chef der Partei Radikale Venstre, Morten Østergaard, seinen Posten geräumt.

(lha/dpa)
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