Konsequenz aus Amokläufen Florida will Lehrer bewaffnen lassen

Tallahassee · Mit mehr Gewehren und Pistolen will der „Sunshine State“ Schulen sicherer machen. Ein Sieg der Waffenlobby über die Schülerbewegung.

 Schüler und Unterstützer der Anti-Waffen-Bewegung protestierten Anfang April in Floridas Hauptstadt Tallahassee.

Schüler und Unterstützer der Anti-Waffen-Bewegung protestierten Anfang April in Floridas Hauptstadt Tallahassee.

Foto: picture alliance / ZUMAPRESS.com/Monica Herndon

„Nein, nein, nein“, twitterte Lauren Hogg, als die Entscheidung gefallen war. „Ich weigere mich, in einem Staat zur Schule zu gehen, der Lehrern Schusswaffen im Klassenzimmer erlaubt. Ich weiß nicht, ob ich noch länger in Florida leben kann.“ Ihr Bruder David spricht von einem Beschluss, dem jede Logik fehle und der die Sache nur schlimmer mache. Emma González, das markanteste Gesicht der Schülerbewegung für strengere Waffengesetze, warnt die Politik davor, jeglichen Bezug zur Realität zu verlieren. „Hört auf die Leute, die es betrifft“, schreibt sie bei Twitter. „Im Parlament haben sie keine Ahnung, was sie uns da gerade antun.“

Lauren Hogg, David Hogg, Emma González: Nach einem Blutbad an ihrer Schule in Parkland waren sie zusammen mit anderen in die Offensive gegangen, um strengere Waffengesetze zu fordern. Ihre anfangs spontanen Proteste gipfelten im „March for our Lives“, der größten Kundgebung, die die Hauptstadt Washington im vorigen Jahr erlebte. Eine Zeit lang sah es so aus, als wären die Teenager drauf und dran, die bestens vernetzte Waffenlobby in die Schranken zu weisen. Im Weißen Haus wiederum reagierte Donald Trump auf das Park­land-Massaker, indem er einen Vorschlag jener Lobby, der National Rifle Association (NRA), zu seinem eigenen machte. Man müsse Lehrer bewaffnen, empfahl der Präsident, dann ließen sich solche Tragödien eher vermeiden, denn bewaffnete Pädagogen könnten eingreifen, bevor Polizisten zur Stelle seien.

15 Monate danach lässt das Parlament Floridas sowohl die NRA als auch Trump triumphieren. Mit 65 zu 47 Stimmen entschied es, dass Lehrer Waffen im Klassenzimmer tragen dürfen, wenn es ihre lokale Schulverwaltung so will. Lehrkräfte dürfen fortan mit Gewehr oder Pistole zum Unterricht erscheinen, vorausgesetzt, sie haben zuvor einen 144-stündigen Kurs absolviert. Nun ist es an Gouverneur Ron De Santis, einem Republikaner, die Novelle zu unterschreiben, damit sie Gesetzeskraft erlangt. Es grenzte an ein Wunder, würde er sein Veto einlegen.

In der Quintessenz bedeutet es, dass die NRA eine Kraftprobe mit einer Schülerbewegung gewinnt, der man zugetraut hatte, die Politik zu einer Richtungsänderung zu zwingen. Es bedeutet aber auch, dass die Schülerbewegung neue Kräfte mobilisiert. Während David Hogg über soziale Medien zu Protesten aufruft, hat seine 16 Jahre alte Schwester Lauren gemeinsam mit Ryan Deitsch, einem Absolventen ihrer High School, einen Gastkommentar für den „Miami Herald“ verfasst, die führende Zeitung im Süden Floridas. „Wir können kein Gewehr sehen, ohne an die Person denken zu müssen, die am Valentinstag in dieses Gebäude stürmte und unser Leben für immer veränderte“, schreiben die beiden. Allein der Anblick bewaffneter Lehrer sei unzumutbar.

Gregory Tony, neu ernannter Sheriff im Broward County, dem Verwaltungsbezirk, in dem Parkland liegt, warnt davor, Lehrer auf fatale Weise zu überfordern. Wer sich für den Lehrberuf entscheide, sagt er, wolle Heranwachsenden Wissen vermitteln und nicht die Aufgaben eines Wachdiensts übernehmen.

Noch plastischer hat es Paula Reed beschrieben, Englischlehrerin an der Columbine High School in Colorado, wo 1999 die bis heute nicht abreißende Serie von Amokläufen an US-Schulen begann. „Es gibt Leute, die glauben, ich würde mich mit einer Waffe deutlich sicherer fühlen. Aber schaut mich an!“ Sie sei fünf Fuß und zwei Zoll groß (1,57 Meter, d. Red.). Wenn ein sechs Fuß (1,83 Meter) großer, zorniger junger Mann ihr den Revolver entreißen wolle, dürfte ihm dies wahrscheinlich gelingen. Eine Waffe, so Reed, ändere nichts an ihrer Statur. „Dann wäre ich eine fünf Fuß, zwei Zoll große Frau mittleren Alters mit womöglich getrübtem Einschätzungsvermögen – und einer Pistole.“

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