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Parlamentswahl in Österreich Österreich wird in diesem Jahr noch keine neue Regierung haben

Meinung · Erstmals ist die rechtspopulistische FPÖ in Österreich als stärkste Kraft aus der Parlamentswahl hervorgegangen. Das macht eine Regierungsbildung extrem schwierig, da die anderen Parteien nicht mit den Rechten zusammenarbeiten wollen. Doch ist Österreich überhaupt regierbar, wenn die stärkste Partei ausgeschlossen wird?

Vizekanzler Werner Kogler (Grüne, l-r), SPÖ-Chef Andreas Babler, Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP), FPÖ-Chef Herbert Kickl und NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger

Foto: dpa/Georg Hochmuth

Dieser Wahltriumph der extremen Rechtspartei bedeutet für Österreich nichts Gutes. Gewiss, die FPÖ wurde demokratisch zur stärksten Partei gewählt, aber sie ist und war nie eine demokratische Partei. Schon die Vorgänger von Parteichef Herbert Kickl, Jörg Haider und Heinz-Christian Strache, sprachen davon, „das System“ abzuschaffen und eine „dritte Republik“ auszurufen. Mit „System“ meint Kickl nichts Geringeres als das Ende der parlamentarischen Demokratie, der Österreich den Aufstieg zu einem der wohlhabendsten Länder der Welt verdankt. An die Stelle der Zweiten Republik will er ein autokratisches Machtsystem installieren, das er mit dem „Volkswillen“ rechtfertigt. Wohlgemerkt: 70 Prozent der Österreicher haben nicht FPÖ gewählt.

Kickl ist ein Verschwörungstheoretiker, der von einem „Bevölkerungsaustausch“ faselt und deshalb Festungsmauern um die Grenzen Österreichs ziehen will. „Ausländer raus“ würde unter seiner Regierung zur Staatsdoktrin. Im Verein der erstarkten Rechtsparteien in Europa will er die EU lahmlegen oder zumindest den Austritt Österreichs anstreben. Er will das Gebührensystem des öffentlich-rechtlichen Sender ORF abschaffen und über Steuermittel finanzieren, um die Journalisten an die Kandare zu nehmen. Auch sein Rechtsstaatsverständnis ist äußerst fragwürdig, wenn er meint, die Gesetze hätten der Politik zu folgen und nicht umgekehrt. All dies und noch mehr Beispiele preist Kickl als „Volksgesetzgebung“ an.

Noch-Kanzler Karl Nehammer und auch die übrigen Parlamentsparteien hatten also reichlich Gründe, diese FPÖ als Regierungspartner nicht zu akzeptieren. Nur ist Nehammer mit seiner ausdrücklichen „Nicht mit Kickl“-Strategie kläglich gescheitert: Die FPÖ ist stärker denn je und wird Kickl allein deshalb nicht fallen lassen. Gescheitert ist Nehammers ÖVP auch mit der Taktik, in der Ausländerpolitik die FPÖ rechts überholen zu wollen; am Wahlabend landete sie prompt im Straßengraben.

Ist Österreich überhaupt regierbar?

Doch ist Österreich überhaupt regierbar, wenn die stärkste Partei ausgeschlossen wird? Kickl ist ein kluger Taktiker: Mögen sich die Parteien zu irgendeiner Koalition zusammenraufen, die früher oder später allein an ihren inhaltlichen Differenzen scheitern wird - dann erst schlägt bei der nächsten Neuwahl die historische Stunde der FPÖ. Bleiben seine politischen Gegner weiterhin so phantasiearm wie bisher, kann Kickl auf die absolute Mehrheit hoffen. Er kann warten, das hat er in der Partei gelernt, als er jahrelang hinter Haider und Strache in der zweiten Reihe stehen musste.

Vorerst ist nach dieser Wahl Bundespräsident Alexander Van der Bellen die Schlüsselfigur der Republik. Schon vor einiger Zeit erklärte er offenherzig, Kickl nicht als Kanzler vereidigen zu wollen. Doch kaum je war eine Regierungsbildung so schwierig wie nach dieser Wahl: Rot-Schwarz oder Schwarz-Rot, jene früher „Große Koalition“ genannte Regierungsform, die Österreich aufgebaut hat, scheidet mangels Mehrheit aus. Dreier-Koalitionen in zwei Varianten wären möglich, doch hat man in Österreich damit keinerlei Erfahrung, abgesehen davon, dass ÖVP, SPÖ, Neos und Grüne in zentralen Fragen wie Wirtschafts-, Steuer-, Sozial- und Sicherheitspolitik Welten trennen. Jedenfalls wird Österreich in diesem Jahr noch keine neue Regierung haben.

Die Verfassung bietet zunächst einen Ausweg: Nirgendwo steht geschrieben, dass der Anführer der stärksten Partei automatisch mit der Regierungsbildung zu beauftragen sei. Das Staatsoberhaupt hat freie Hand, irgendeine geeignete Person, auch außerhalb der Parlamentsparteien, zu beauftragen, eine so genannte Expertenregierung zu bilden, wie dies vor wenigen Jahren schon einmal der Fall war, als Van der Bellen mit Brigitte Bierlein die erste Kanzlerin ernannte.

Kickl kann also gesetzeskonform übergangen werden. Wie das dem innenpolitischen Klima Österreichs bekommt, ist eine andere Frage.