Tagelange Proteste Kolumbiens Präsident verspricht Demonstranten kostenloses Studium

Bogotá · Seit Wochen gehen Demonstranten in Kolumbien auf die Straße, die Polizei geht gewaltsam gegen sie vor. Jetzt zeigt sich die Regierung gesprächsbereit: Studenten sollen in der Corona-Krise entlastet werden.

 Nachdem es bei Protesten in Kolumbien Todesopfer gab, führen Studenten bei einer Demonstration in Cali ein Stück namens „Who Killed Them“ auf.

Nachdem es bei Protesten in Kolumbien Todesopfer gab, führen Studenten bei einer Demonstration in Cali ein Stück namens „Who Killed Them“ auf.

Foto: dpa/Andres Gonzalez

Nach tagelangen Protesten in Kolumbien hat die kolumbianische Regierung erste Zugeständnisse gemacht. Im zweiten Semester 2021 werde das Studium an öffentlichen Hochschulen für Studenten aus einkommensschwachen Familien kostenlos sein, kündigte Präsident Iván Duque am Dienstag bei einem Besuch in der Stadt Cali an. „Wir wollen den verschiedenen Sektoren unseres Landes zuhören und einen Pakt für die Jugend schließen“, sagte Duque. „Das ist eine fundamentale Säule für die Gleichheit in Kolumbien.“

Seit fast zwei Wochen kommt es in Kolumbien zu zahlreichen, teilweise in Gewalt mündenden Protesten. Mehr als 40 Menschen sollen während der Protesttage ums Leben gekommen sein, wie lokale Medien unter Berufung auf die Ombudsstelle berichteten. Nach Angaben von Human Rights Watch wurden mindestens 13 Demonstranten und ein Polizist nachweislich im Zusammenhang mit den Protesten getötet. Die Menschenrechtsorganisation hatten zuletzt immer wieder das harte Vorgehen der Polizei gegen Demonstranten kritisiert.

In der Nacht auf Dienstag war in Pereira ein Demonstrant nach tagelangem Todeskampf im Krankenhaus seinen schweren Verletzungen erlegen. Unbekannte hatten in der vergangenen Woche acht Kugeln auf ihn abgefeuert. Der 37-jährige Yogalehrer wurde schnell zu einem Symbol der Proteste. In den sozialen Netzwerken kursierte ein Video des Mannes, in dem er auf einer Demonstration ruft: „Sie töten uns in Kolumbien.“

Ausgelöst wurden die Proteste von Plänen für eine Steuerreform, die besonders die Mittelschicht hart getroffen hätte. Nach tagelangen Demonstrationen hatte die Regierung die Steuerreform zurückgezogen. Die Proteste gingen aber weiter und richten sich inzwischen allgemein gegen die Regierung von Staatschef Ivan Duque.

Die Demonstranten fordern bessere Arbeitsbedingungen, eine Reform des Rentensystems, einen besseren Schutz von Menschenrechtsaktivisten und die vollständige Umsetzung Friedensabkommens mit der Farc.

Am Montag stimmte die Regierung Gesprächen mit dem Streikkomitee schließlich zu. Die Gruppe, zu der verschiedene Gewerkschaften, soziale Bewegungen und Studentenverbände gehören, fordern unter anderem kostenlose Bildung, Subventionen für kleine Betriebe und mehr Maßnahmen gegen Diskriminierung. Bei einem ersten Treffen kam es allerdings zu keiner Übereinkunft. Während das Streikkomitee ein Ende der Gewalt durch die Sicherheitskräfte forderte, verlangte Duque den Abbau der Straßensperren, die seit Tagen die Versorgung von zahlreichen Städten erschweren.

Kolumbien ist nach Brasilien das zweitbevölkerungsreichste Land sowie der wichtigste Verbündete der USA in Südamerika. Mehr als 50 Jahre lang herrschte dort Bürgerkrieg, 220.000 Menschen kamen ums Leben, Millionen wurden vertrieben. 2016 schloss die kolumbianische Regierung Frieden mit der linken Farc-Guerilla. Die Wirtschaft erlebte daraufhin einen Aufschwung, der Tourismus - auch aus Deutschland - boomte. Doch der Frieden ist labil, die exzessive Polizeigewalt ein Rückschlag.

(peng/dpa/AFP)
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