Streit um Stimmverhältnisse Koch-Mehrin legt Polen EU-Austritt nahe

Berlin (RPO). Polens Position im Streit um die Stimmverhältnisse in der Europäischen Union scheint unverrückbar. Zwar war nach dem Treffen von Angela Merkel und Lech Kaczynski von einer "guten Atmosphäre" die Rede, doch eine Einigung erzielten die beiden nicht. Die FDP-Europaabgeordnete Silvana Koch-Mehrin legte Polen deshalb einen Austritt aus der EU nahe.

Polens Position im EU-Streit
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Foto: AP

Für den Fall, dass Warschau bei seiner Blockadehaltung bleibt, sagte Koch-Mehrin: "Wenn sich ein Land in der EU nicht wohl fühlt, dann sollte man ihm sagen: Wenn es euch nicht passt, dann gibt es diese Möglichkeit". Es sei für die EU "unwürdig", wenn ein einziges Land alle anderen hinhalte und ausbremse.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat am Wochenende ihre Gespräche mit den Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union zur Vorbereitung des Brüsseler EU-Gipfels am 21. und 22. Juni fortgesetzt. Am Sonntag empfing die EU-Ratspräsidentin im Gästehaus der Bundesregierung im brandenburgischen Meseberg den tschechischen Ministerpräsidenten Mirek Topolánek. Am Vortag war sie dort mit Polens Präsident Lech Kaczynski zu einem Meinungsaustausch zusammengekommen.

Beide Treffen hätten in einer "guten Atmosphäre" stattgefunden, wie ein Regierungssprecher anschließend sagte. Zu Ergebnissen der Unterredungen machte er keine Angaben. Die Verhandlungen mit allen Beteiligen gingen in den nächsten Tagen weiter, fügte der Sprecher hinzu. Am Sonntagnachmittag wollte Merkel nach Luxemburg reisen, um mit dem dortigen Ministerpräsidenten Jean-Claude Juncker zusammenzukommen.

Die EU-Ratspräsidentin hatte zuvor an die Kompromissbereitschaft aller Mitgliedsländer appelliert, um den Weg zu einer neuen Vertragsgrundlage der Europäischen Union freizumachen. In einer im Internet verbreiteten Videobotschaft kündigte Merkel an, auf dem Gipfeltreffen einen Vorschlag für einen entsprechenden Fahrplan vorzulegen.

"Damit er verabschiedet werden kann, wird die Kompromissbereitschaft aller notwendig sein", mahnte die Kanzlerin. Polen verlangt einen im Verhältnis zu Deutschland höheren Stimmenanteil als im Entwurf des EU-Verfassungsvertrages vorgesehen und hat andernfalls mit einem Veto gedroht.

Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) betonte, "niemand außer Polen" wolle "das vereinbarte Paket" zur Stimmengewichtung in der EU noch einmal aufschnüren. Die EU-Ratspräsidentschaft sei nicht nur denen verpflichtet, die Änderungen am vorliegenden Vertragstext forderten, sondern auch jenen 18 Staaten, die das Vertragswerk bereits ratifiziert hätten. Er halte es für "wenig wahrscheinlich", dass sich Polen mit seiner Forderung durchsetzen werde, die Stimmengewichtung noch einmal zu verändern.

Der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, forderte derweil für die EU eine Grundordnung, die "die Handlungsfähigkeit der mittlerweile auf 27 Mitgliedstaaten angewachsenen Gemeinschaft sicherstellt". Nur so könne "das erfolgreichste politische Projekt in der Geschichte unseres Kontinents - die politische und wirtschaftliche Einigung - fortgeführt werden", betonte Papier.

Er plädierte zudem dafür, die Zuständigkeiten der EU zu begrenzen. Über organisatorische Reformen hinaus bedürfe es "einer klaren Abgrenzung der Kompetenzen zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten". Auch müsse "gewährleistet werden, dass Europa nur dort tätig wird, wo die Mitgliedstaaten einer Aufgabe nicht ausreichend gerecht werden können und die Gemeinschaft diese Aufgabe besser bewältigen könnte".

(afp)
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