Ausstellung im Jüdischen Museum Berlin Kinder malen das Grauen von Darfur

Berlin (RP). Noch bis zum 9. April zeigt das Jüdische Museum in Berlin die Zeichnungen von Kindern, die Opfer des Bürgerkriegs im Sudan wurden. Ihre naiven Bilder sind Zeugnisse eines vergessenen Konflikts. Politiker fordern, dem Morden nicht länger tatenlos zuzusehen.

Kinder malen das Grauen von Darfur
6 Bilder

Kinder malen das Grauen von Darfur

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Foto: Human Rights Watch, 2005

Die Frau, die Leila gezeichnet hat, steht auf dem Kopf. Statt eines Gesichtes hat Leila ihr einen roten Flecken gemalt. Knallrot. Als das Mädchen gefragt wird, warum die Frau auf dem Kopf stehe und ihr Gesicht rot sei, ist seine Antwort ebenso eindeutig wie erschreckend: "Na, weil sie tot ist und man ihr ins Gesicht geschossen hat."

Das Bild von der toten Frau, der Fremde brutal das Gesicht zerschossen haben, hat die neunjährige Leila sich nicht ausgedacht, sie hat es erfahren: Leila musste mit ihrer Familie aus der westsudanesischen Provinz Darfur fliehen, wo seit vier Jahren einer der brutalsten kriegerischen Konflikte der Gegenwart wütet. Schätzungen zufolge sind bis zu 400.000 Menschen getötet und mehr als zwei Millionen Menschen vertrieben worden.

Seit 2003 lehnen sich Rebellen gegen die sudanesische Regierung in Khartum auf und fordern das Ende der Marginalisierung ihrer Region im Westen des Landes. Das führte zu einer massiven militärischen Reaktion Khartums, die so genannte Janjaweed-Reitermilizen bewaffnete, die morden und brandschatzen, sowie selbst Luftangriffe in der Region fliegt.

Projektionen mit Arbeiten namhafter Fotografen

Leilas Zeichnung ist ebenso wie Bilder anderer Kinder aus Darfur noch bis zum 9. April im Jüdischen Museum in Berlin zu sehen. Sie sind Teil der Ausstellung "Vom Krieg gezeichnet" und erschütterndes Zeugnis davon, wie die Zivilbevölkerung in Darfur leidet. Abd al-Rahman (13) etwa hat um sich schießende Reiter und Bombenabwürfe aus Hubschraubern gemalt. Er berichtet: "Plötzlich sehe ich die Janjaweed-Milizen kommen. Sie sind schnell, auf Pferden und Kamelen und haben Kalaschnikows. Sie schießen und schreien. Sie töteten viele Männer. Sie verfolgten die Kinder. Einige haben sie mitgenommen. Wir sahen sie nie wieder. Dann kamen die Flugzeuge und bombardierten unser Dorf." Andere Kinder zeichneten brennende Häuser, Tote, Vergewaltigungen.

Das Jüdische Museum und Human Rights Watch wollen an die Gewalt in Darfur erinnern; Schirmherr ist der frühere UN-Generalsekretär Kofi Annan. Der Leiter des Jüdischen Museums, W. Michael Blumenthal, begründet das Engagement mit Kindheitserfahrungen in der NS-Zeit und dem Verhalten der Völkergemeinschaft. Auch damals habe sie zugesehen, bedauert und verurteilt, aber zu wenig getan. Experten von Hilfs- und Menschenrechtsorganisationen sowie Politiker diskutierten im Museum darüber, was insbesondere Deutschland und die EU tun muss, um das Morden in Darfur zu stoppen. Der sudanesische Oppositionspolitiker und Menschenrechtsaktivist Salih Mahmoud Osman appellierte an die Bundesregierung, sich in der EU und bei der UN dafür einzusetzen, der Krise ein Ende zu machen.

Die EU-Direktorin von Human Rights Watch, Lotte Leicht, warf der Politik jedoch Desinteresse vor: "Es fehlt der politische Wille", sagte sie. "Die Namen der Schuldigen sind zum großen Teil bekannt, aber keiner tut etwas." Sie forderte die EU auf, sofort gezielte Sanktionen gegen sudanesische Beamte zu verhängen, etwa Reiseverbote zu erteilen und Konten einzufrieren. Auch müsse die EU die Mission der Afrikanischen Union (AU; derzeit mit rund 7000 Mann vor Ort) finanziell und materiell unterstützen, bis eine gemeinsame Truppe von AU und Uno in Darfur stationiert werde.

Ferner solle die EU die Regierung im Sudan zur Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof drängen; bislang wurde erst gegen zwei mutmaßliche Verantwortliche ein Verfahren wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit eingeleitet. Leicht: "Deutschland muss während der EU-Präsidentschaft eine besondere Verantwortung, eine Führungsrolle, bernehmen, um die Krise in Darfur zu beenden."

Unterstützung bekam sie von Grünen-Politikerin Kerstin Müller, aber auch von SPD-Politiker Michael Naumann. Der SPD-Bürgermeisterkandidat in Hamburg und Kulturstaatsminister a.D forderte politische und wirtschaftliche Sanktionen gegen die Verantwortlichen des Völkermords und kritisierte das bisherige Vorgehen der Bundesregierung: "Ich bin entsetzt, wie hilflos die Regierung auf eine Anfrage der Grünen zu Darfur geantwortet hat. Sie müsste nicht hilflos bleiben."

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