Überläufer berichtet von Attentatsversuchen Die Paranoia der Kims hat gute Gründe

Sowohl Kim-Jong-Un als auch seinem Vater Kim-Jong-Il wird eine paranoide Angst vor Attentaten nachgesagt. Jetzt zeigt sich: aus gutem Grund. Ein Überläufer aus dem Geheimdienst Nordkoreas schildert, wie dünn das Eis ist, auf dem das Regime sich bewegt.

Kim Jong Un - Nordkoreas junger Machthaber
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Der Daily Telegraph sprach mit einem Überläufer aus Nordkorea. Seinen Namen hält er geheim. Er wird als Mr. K bezeichnet, mehr Angaben würden seine Sicherheit gefährden. Auch, weil er aus der obersten Gilde der koreanischen Führungselite stammt, wo er im Geheimdienst tätig gewesen sein soll.

Nach seiner Flucht in den Westen gibt Mr K einen Einblick hinter die sonst verschlossenen Türen des Regimes. Dort geht es demnach weitaus chaotischer und skrupelloser zu, als Pjöngjang sonst vorgibt. Unter anderem berichtet der Überläufer von Putschversuchen und zwei gescheiterten Attentatsversuchen auf Kim Jong Il. Der Vater des heutigen Herrschers Kim Jong Un stand bis Dezember 2011 an der Spitze Nordkoreas.

Raketen auf Pjöngjang

In einem Fall habe ein einzelner Mann mit einer automatischen Schusswaffe versucht, auf den Diktator anzulegen, sei aber in letzter Sekunde gestoppt worden. Bei dem zweiten Attentatsversuch sei ein Regimegegner mit einem 20-Tonnen-LKW in eine Kolonne gerast, um das Fahrzeug mit Kim zu treffen. Der aber soll in einer anderen, baugleichen Limousine gewesen sein und blieb unverletzt.

Nordkorea und die Photoshop-Panne
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Ähnlich bedrohlich müssen sich für den nordkoreanischen Sonnenkönig auch zwei außergewöhnliche Putschversuche dargestellt haben: Wie Mr. K schildert, hatten sich Führungskreise der Armee gegen ihren Führer verschworen. Einige in Russland ausgebildete Offiziere planten demnach einen Anschlag auf das russische Konsulat in Ch'ŏngjin, um Moskau einen Anlass zur Intervention zu liefern.

Regelrecht bizarr die Version des zweiten Putschversuches: Demnach wollten Offiziere Raketen auf die Hauptstadt Pjöngjang abfeuern und mit dem Angriff die wichtigsten Schaltstellen in der Machtzentrale ausschalten.

Angst vorm Fliegen

Der Telegraph hält die Schilderungen für durchaus plausibel. 1994 habe es eine Verhaftungswelle in der Armee gegeben, bei der in Russland ausgebildete Militärs festgesetzt wurden. Drei Jahre später sei eine komplette Einheit aufgelöst worden.

Die Berichte des Überläufers zeigen, lassen die viel beschworene Paranoia der Kims in einem anderen Licht erscheinen. Beiden Führern wird nachgesagt, eine panische Angst vor Attentaten zu haben. Die geschilderten Fälle würden dafür handfeste Gründe liefern.

Kim-Jong-Il war unter anderem für seine Angst vor dem Fliegen bekannt. Er soll Anschläge befürchtet haben. Erst Mitte der Woche hatte sein Sohn das zum Anlass genommen, sich mutig in Szene zu setzen, indem er sich beim Aussteigen aus einem Flieger fotografieren ließ. Immerhin: Die Aufnahme gilt als erstes Bild einer Flugreise Kim Jong Uns. Sein Vater vertraute selbst bei Auslandsreisen nach Russland oder China nur auf seinen gepanzerten Zug.

Exzentrik und Willkür

Allem demonstrativem Mut zum Trotz soll es aber auch auf Kim Jung Un schon ein Attentat gegeben haben. Davon berichtete zumindest im März 2013 eine südkoreanische Zeitung unter Berufung auf eine Quelle aus dem Geheimdienst. Die Angaben dazu blieben allerdings sehr allgemein. Ein Machtkampf im nationalen Aufklärungsbüro soll eine zentrale Rolle gespielt haben.

Offenkundig scheint der junge Diktator die Tradition der Angst übernommen zu haben. Wechselnde Wohnsitze, Unterschlupfmöglichkeiten in Bunkern, verschiedene Sicherheitsstufen, das gehört fest zum Regime von Pjöngjang, heißt es unter anderem in Korea. In diesem Zusammenhang steht wohl auch die Entscheidung Kims vom Dezember vergangenen Jahres, seinen eigenen Onkel und dessen Familie hinrichten zu lassen. Auch hier war von Putschplänen die Rede.

Schon sein Vater Kim Jong Il war berüchtigt für seine Exzentrik und willkürliche Machtausübung. Überläufer berichteten unter anderem von Weinkellern mit mehr als 10.000 exquisiten Flaschen. Immer wieder tauchten in den Medien Berichte über sexuelle Exzesse und nächtliche Gelange mit Luxus-Spezialitäten auf. Zudem soll er eine Vorliebe für Blondinen aus dem Westen gepflegt haben.

(pst)
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