Kiew Demonstranten buhen Vitali Klitschko aus

Kiew · Nach der Einigung auf ein Übergangsabkommen zur Überwindung der politischen Krise in der Ukraine sind die Oppositionsführer auf dem Unabhängigkeitsplatz in Kiew mit Pfiffen von Regierungsgegnern empfangen worden.

 Vitali Klitschko sprach am Abend zu Demonstranten auf dem Maidan.

Vitali Klitschko sprach am Abend zu Demonstranten auf dem Maidan.

Foto: afp, MS

Nationalistische Aktivisten bekamen am Freitagabend hingegen Applaus für ihre Ankündigung, am Samstagvormittag das Präsidialamt zu stürmen, falls Staatschef Viktor Janukowitsch bis dahin nicht zurücktreten sollte. Tausende Demonstranten auf dem sogenannten Maidan riefen "Tod dem Verbrecher!" und buhten, als ein Redner vorschlug, Janukowitsch die Ausreise aus dem Land zu ermöglichen.

Zwar war die Lage in Kiew am Abend relativ ruhig, die Stadt schien schrittweise zum normalen Leben zurückzukehren, und auch der U-Bahn-Verkehr lief wieder an. Doch gleichzeitig wappneten sich radikale Regierungsgegner für mögliche neue Zusammenstöße mit den Sicherheitskräften. In einem improvisierten Lager hielten sie hunderte Glasflaschen und Benzinfüllungen für Molotow-Cocktails bereit. Derartige Brandbomben waren in den vergangenen Tagen wiederholt auf Polizeikräfte geschleudert worden.

Bei Zusammenstößen auf dem Unabhängigkeitsplatz und vor dem Parlament waren nach Regierungsangaben seit Dienstag 67 Demonstranten und zehn Polizisten getötet worden. Ärzte aus dem Oppositionslager sprachen von fast 100 Todesopfern. Am Freitag unterzeichneten Janukowitsch und die drei wichtigsten Oppositionsführer schließlich ein Übergangsabkommen, das Präsidentschaftswahlen bis Jahresende, die Einsetzung einer Übergangsregierung sowie eine Verfassungsreform vorsieht, die die Macht des Präsidenten dauerhaft beschneidet.

"Es ist der Anfang vom Ende einer Schreckensherrschaft", schrieb der Oppositionspolitiker Vitali Klitschko nach dem Kompromiss in einem Gastbeitrag für die "Bild"-Zeitung. Bereits 30 Abgeordnete hätten ihren Austritt aus Janukowitschs Partei erklärt, zudem werde die Macht des Präsidenten durch die neue Verfassung beschränkt. "Der Druck auf ihn ist so gewaltig wie nie zuvor", erklärte Klitschko.

Anders als viele Demonstranten auf dem Maidan wertete der frühere Profiboxer das Übergangsabkommen als Erfolg: "Als ich gestern morgen um 6.45 Uhr aus dem Präsidentenpalast kam, hätte ich nicht geglaubt, dass wir ein paar Stunden später das Abkommen wirklich unterschreiben würden." Ganz "entscheidenden Anteil" an dem Ergebnis habe Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD), der mit seinen französischen und polnischen Amtskollegen die Vermittlungsgespräche mit Janukowitsch und der Opposition geführt hatte.

(AFP)
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