Ukraine-Krise Kiew schaltet auf Angriff

Berlin · Vor dem Treffen der Außenminister der Ukraine, der USA, der EU und Russlands am Donnerstag geht die Führung in Kiew gegen die Separatisten vor. Gleichzeitig wird ein Referendum in Aussicht gestellt. Droht jetzt ein Bürgerkrieg?

Ukraine: Kiew droht mit dem Einsatz der Armee
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Ukraine: Im Osten droht der Einsatz der Armee

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Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) hat an die Regierungen in Moskau und Kiew appelliert, das morgige Vierer-Treffen von Ukraine, USA, Russland und EU als Chance für eine friedliche Lösung des Ukraine-Konfliktes zu nutzen. "Ein Scheitern ist nicht erlaubt", sagte Steinmeier unserer Zeitung. Denn die Lage im Osten der Ukraine werde "immer bedrohlicher". Die Besetzung öffentlicher Gebäude in der Ost-Ukraine provoziere Reaktionen der Sicherheitsbehörden. Es drohten erneut Tote und Verletzte, wenn kein Ausstieg aus der Spirale der Gewalt gefunden werde. "Diese Verantwortung kann keiner auf sich laden, auch nicht die, die sich von außen an der Organisation des Chaos beteiligen", unterstrich Steinmeier. Die wichtigsten Fragen und Antworten zur Krise.

Wie gefährlich ist die Lage?

Nach Einschätzung der Uno ist die Lage im östlichen Teil der Ukraine "sehr angespannt". Sie ist aber auch sehr unübersichtlich. Fest steht, dass die prorussischen Separatisten bei der Besetzung von Verwaltungsgebäuden vor Waffengewalt nicht zurückschrecken. Bei den Auseinandersetzungen gab es bereits mehrere Tote und Verletzte.

Wie steht die Bevölkerung in der Ost-Ukraine zu den Separatisten?

Viele Menschen in der Ost-Ukraine lehnen die prowestliche Regierung in Kiew ab. Die Berichte des russischen Staatsfernsehens, das für viele die einzige Informationsquelle ist, schüren Ängste, dass "Faschisten" aus dem Westen der Ukraine Jagd auf die russischstämmige Minderheit machen wollten. Trotzdem haben die prorussischen Aktivisten mit ihrer Forderung nach einer Abspaltung der Region nach dem Vorbild der Krim nicht unbedingt die Mehrheit der Bevölkerung hinter sich. In einigen Orten sollen die Separatisten mangels Unterstützung wieder abgezogen sein.

Wer ist schuld an der Eskalation?

Die russische und ukrainische Regierung geben sich gegenseitig die Schuld für die Gewalt in der Ost-Ukraine. Für Moskau sind die bis an die Zähne bewaffneten Besetzer "Demonstranten", für Kiew handelt es sich um "Terroristen". Aus Sicht der EU-Staaten schürt Moskau die Unruhen und verletzt damit die Souveränität des Nachbarlandes. Auch ein Uno-Bericht weist darauf hin, dass russische Agenten hinter der Eskalation stecken könnten. Eindeutige Beweise gibt es jedoch nicht, und Russland dementiert die Vorwürfe strikt. Das hatte der Kreml freilich auch getan, als es um den Einsatz russischer Truppen auf der Krim ging.

Welches Ziel verfolgt Moskau?

Ein russischer Einmarsch und eine Annexion wie auf der Krim gelten weiter als unwahrscheinlich. Aber Moskau will das Nachbarland offenbar gefügig machen und seinen Einfluss auf die Ukraine sichern, auch wenn in Kiew kein Kreml-Günstling wie der gestürzte Präsident Viktor Janukowitsch mehr regiert. Wie genau das geschehen soll, ist bisher unklar. Offenbar schwebt der russischen Führung eine Föderation vor, mit weitreichenden Rechten für die östlichen Teile der Ukraine, wo sich beinahe die gesamte Industrie des Landes konzentriert.

Kann eine Volksabstimmung in der Ukraine eine Lösung bringen?

Die Führung in Kiew hat ein solches Referendum jetzt ins Gespräch gebracht und sich dabei offen für eine Föderalisierung des Landes gezeigt. Die Abstimmung könnte aber laut ukrainischer Verfassung nur im gesamten Land durchgeführt werden. In Kiew ist man zuversichtlich, dass dabei eine Mehrheit grundsätzlich die Einheit der Ukraine unterstützen würde. Ein Anschluss der Ost- Ukraine an Russland wäre damit vom Tisch. Allerdings müsste eine solche Abstimmung von allen Seiten akzeptiert werden.

Zu was dient das morgige Außenministertreffen?

Europäer und Amerikaner wollen erreichen, dass sich Moskau unzweideutig von den Separatisten in der Ost-Ukraine distanziert und seine Truppen aus der Grenzregion abzieht. Sollte der Kreml sich allerdings nicht bewegen, wäre harte Sanktionen gegen Russland wohl unausweichlich. Nach Ansicht von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) würde dies keine echte Gefahr für den deutschen Aufschwung bedeuten. "Wenn Russland nicht bereit ist einzulenken, dann ist auch Deutschland bereit, die dritte Stufe der Sanktionen in Gang zu setzen." Die Linken forderten unterdessen, vor einer Entscheidung über weitere Sanktionen den Bundestag einzuschalten. "So etwas kann im Ernstfall nicht von der Bundesregierung in irgendeinem Brüsseler Hinterzimmer entschieden werden", sagte Linke-Parteichef Bernd Riexinger.

(RP)
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