US-Wahl ist entschieden Kerry gesteht Niederlage ein

Washington (rpo). Der demokratische Präsidentschaftskandidat John Kerry hat seine Niederlage eingestanden. In einem Telefongespräch mit US-Präsident George W. Bush, soll er Bush zum Sieg gratuliert haben.

Kerry gibt das Rennen um die Wahlmännerstimmen des Staates Ohio und damit um die Präsidentschaft auf. Kerry rief Bush kurz nach 11.00 Uhr Ortszeit (17.00 Uhr MEZ) an, wie zwei Gewährsleute mitteilten, die über den Inhalt des Gesprächs informiert waren. Kerry habe Bush mit den Worten gratuliert: "Glückwunsch, Mr. President." Das Telefonat habe weniger als fünf Minuten gedauert.

Weiter verlautete, Kerry habe Bush als würdigen und ehrenwerten Kontrahenten bezeichnet. Der Demokrat habe im Gespräch mit dem republikanischen Amtsinhaber beklagt, die USA seien zu zerrissen, und Bush habe dem zugestimmt. "Wir müssen wirklich etwas dagegen tun", sagte Kerry nach Angaben des demokratischen Gewährsmannes.

Bei Kerry setzte sich bei schnell die Einsicht durch, dass es keinen Sinn ergab, noch bis Mitte November auf das endgültige Ergebnis in Ohio zu warten. Der Senator, der sich seit dem Vortag in seinem Anwesen im Bostoner Nobelviertel Beacon Hill verschanzt hielt, wurde nach US-Medienberichten gegen 09.30 Uhr Ortszeit von seiner Kampagnenmanagerin Mary Beth Cahill informiert, dass auch mit der in den nächsten Wochen noch ausstehenden Auszählung von provisorischen Wahlzetteln und Briefwahlstimmen in Ohio keine realistische Chance mehr auf den Sieg bestand. Bush hatte zu diesem Zeitpunkt schon einen Vorsprung von 140.000 Stimmen in dem Mittelweststaat.

Kerry bewahrt Land vor Zerreißprobe

Kerry brauchte nach dem Gespräch mit Cahill nicht lange, um seine Entscheidung zu treffen. Nach Beratung mit seinem Vizekandidaten John Edwards griff er gegen 11.00 Uhr Ortszeit zum Telefonhörer und ließ sich zum Präsidenten durchstellen. Kerry wird nun parteiübergreifend das Verdienst zugerechnet werden, mit seiner zu diesem Zeitpunkt freiwilligen Entscheidung seinem Land eine wochenlange Zerreißprobe wie nach der Chaos-Wahl vor vier Jahren in Florida erspart zu haben. Doch seine Entscheidung folgte nüchternen Überlegungen. Nicht nur, dass nichts darauf hindeutete, dass sich das Rennen wie damals auf einen Unterschied von nur wenigen hundert Stimmen zuspitzen könnte. Auch gab es aus Ohio keine ähnlich dramatischen Pannen in den Wahllokalen wie damals im "Sonnenschein-Staat", so das der Hebel zur Anfechtung der Ergebnisse fehlte.

Und nicht zuletzt fehlte Kerry die moralische Autorität, um dem Land eine mehrwöchige Belastungsprobe wie nach der Wahl 2000 erneut zuzumuten. Denn Al Gore hatte damals landesweit die Mehrheit der Stimmen erzielt; ihm fehlte nur die Mehrheit der in den Staaten zu vergebenden Wahlmänner, die über den Präsidenten entscheiden. Diesmal aber war es ganz anders: Bush konnte über das ganze Land gesehen seinen Rivalen um mehr als 3,5 Millionen Stimmen abhängen - und dies als eindrucksvollen Vertrauensbeweis für seinen Kurs werten.

US-Präsident George W. Bush hat in seinem Herausforderer John Kerry einen "würdigen Gegner" gesehen. "Ich finde, Sie waren ein bewundernswerter, würdiger Gegner", sagte Bush zu dem demokratischen Senator, als dieser ihm am Mittwoch telefonisch seine Niederlage eingestand, wie Präsidentensprecher Scott McClellan in Washington mitteilte. Bush habe Kerrys Anruf "sehr wohlwollend" aufgenommen und halte das Eingeständnis für einen "eleganten" Zug.

Stundenlange Spannung

Die Auszählung der Stimmen zur US-Präsidentenwahl hatte über Stunden für Spannung gesorgt, wobei sich das Interesse am Ende auf den Staat Ohio konzentrierte, es wurde dieses Mal jedoch nicht die befürchtete tagelange Zitterpartie wie vor vier Jahren.

Für den Einzug ins Weiße Haus sind 270 Stimmen im Wahlkollegium erforderlich, das im Dezember den Präsidenten kürt. Im umkämpften Ohio ging es um 20 Wahlmännerstimmen. Wegen eines möglichen juristischen Tauziehens waren dort Anwälte beider Lager in Stellung gegangen. Zuvor hatte Bush schon 254 Wahlmännerstimmen sicher, Kerry 252. Auch das Ergebnis in Iowa und New Mexico stand am Mittwoch zunächst noch aus, dort lag Bush aber ebenfalls in Führung.

Nach dem erbitterten Wahlkampf erreichte die Wahlbeteiligung einen Rekordwert von 60 Prozent. Rund 120 Millionen Amerikaner gaben am Dienstag ihre Stimme ab.

(ap)
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