Anhörung zum Selbstmord hat begonnen Kelly-Affäre: Blair wird als Zeuge geladen

London (rpo). Englands Premier Tony Blair muss bei der richterlichen Anhörung zum Selbstmord des Waffenexperten David Kelly als Zeuge Rede und Antwort stehen. Das hat der zuständige Richter Lord Hutton am Freitag in London mitgeteilt.

Lordrichter Brian Hutton machte am Freitag in London gleich zu Beginn der Untersuchung unmissverständlich klar, dass seine Nachforschungen zu den Umständen, die zum Selbstmord des Regierungsberaters und Waffenexperten David Kelly geführt haben, umfassend und für die Öffentlichkeit zugänglich sein werden.

"Ich werde die relevanten Fakten detailliert und sorgfältig untersuchen", sagte der 72-jährige Richter. Während der Anhörungen seien auch Kreuzverhöre möglich. Lord Hutton kündigte an, neben Blair auch dessen Kommunikationschef Alastair Campbell und Verteidigungsminister Geoff Hoon vernehmen zu wollen. Außerdem würden die beteiligten BBC-Verantwortlichen und auch die Familie Kellys aussagen.

Kelly war die Hauptquelle für einen BBC-Bericht, wonach die Regierung Blair ein Dossier über vermeintliche Gefahren durch irakische Massenvernichtungswaffen als Rechtfertigung für den Krieg gegen Saddam Hussein absichtlich aufgebauscht habe. Aus dem Bericht entwickelte sich eine heftige Auseinandersetzung zwischen Downing Street und dem britischen Sender, in dessen Verlauf sich Kelly das Leben nahm. Letztlich führte dies zu einer der schwersten Krisen der Blair-Regierung.

Der Name Kellys soll aus Kreisen des Verteidigungsministeriums an die Presse durchgesickert sein. Campbell soll nach dem Bericht des BBC-Reporters Andrew Gilligan persönlich dafür gesorgt haben, dass in dem Dossier über die Gefahren des Irak fälschlicherweise behauptet wird, Saddam könne Massenvernichtungswaffen innerhalb von 45 Minuten in Stellung bringen. In einem von einer BBC-Redakteurin aufgezeichneten Gespräch mit Kelly hatte dieser gesagt, die Regierung "sei besessen davon, Geheimdienstinformationen über unmittelbare Bedrohungen durch den Irak zu finden".

Zu den Kernfragen der Hutton-Untersuchung gehört, wie genau Kellys Name im Zusammenhang mit dem BBC-Bericht an die Öffentlichkeit gelangt ist, inwieweit von der Regierung möglicherweise Druck auf ihn ausgeübt wurde und was er Journalisten im Detail gesagt hat

Die Leiche des früheren UN-Waffeninspekteurs Kelly war am 18. Juli unweit seines Hauses in der Grafschaft Oxfordshire gefunden worden, nachdem sein Name an die Öffentlichkeit gelangt und er vor einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss teils inquisitorisch befragt worden war. "Die Ereignisse der vergangenen Wochen haben Davids Leben unerträglich gemacht", hatte Kellys Familie nach dessen Tod gesagt.

Am Freitag verlangte die Familie, Kameras während der Untersuchung nicht zuzulassen, weil sie befürchtet, dass ihre persönliche Tragödie zur "Unterhaltung der Nation" werden könne. Lord Hutton sagte, nur zu Beginn und zum Ende der Anhörungen würden Kameras erlaubt. Allerdings sei die Untersuchung offen für alle Pressevertreter. Zudem würden wichtige Unterlagen der Nachforschungen auf eine spezielle Website gestellt.

Hutton sagte, er habe bereits umfangreiche Unterlagen von der Regierung, der BBC und der Witwe Kellys erhalten. Die eigentlichen Anhörungen werden erst am 11. August beginnen. Zuvor wird Kelly am kommenden Mittwoch beerdigt. Mit dem Abschlussbericht Huttons wird noch vor Ende diesen Jahres gerechnet

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