Wie Russland auf den Fall Chodorkowski reagiert "Keine Bedrohung mehr für die Machthaber in Moskau"

Berlin/Moskau · Als Kreml-Kritiker Michail Chodorkowski am Sonntag seine erste Pressekonferenz in Deutschland abhielt, drängelten sich hunderte Journalisten im Berliner Mauermuseum. Alle wollten den Mann sehen, der als ärgster Feind des russischen Präsidenten Wladimir Putin gilt. Wie aber werden dessen Freilassung und seine ersten Statements in Russland aufgenommen?

Chodorkowski erläutert Zukunftspläne
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Amnestie für die Pussy-Riot-Musikerinnen und Greenpeace-Aktivisten, Freilassung von Michael Chodorkowski — was sich vor wenigen Tagen auf der Jahrespressekonferenz des russischen Präsidenten ereignete, war in gewisser Weise eine Art Paukenschlag. Und viele Medien sehen es als Versuch Putins, die Gemüter in Bezug auf Olympia in Sotschi zu beruhigen.

Chodorkowski hatte derweil bei seiner Pressekonferenz in Berlin angekündigt, nicht mehr politisch tätig sein zu wollen — und das wird auch in der russischen Presse registriert. Allerdings war die Pressekonferenz des Kreml-Kritikers den regierungsnahen Medien des Landes kein Aufmacher wert, wie tagesschau.de schreibt. So habe der russische Staatskanal "Rossija 24" erst an sechster Stelle über Chodorkowski berichtet, sogar die Krawalle in Hamburg waren vorher Thema.

"Putin muss niemandem etwas beweisen"

Und der englischsprachige Sender "Russia Today" habe nach den Bildern von der Pressekonferenz eine Kurzvita des früheren Oligarchen mit dem Titel "Vom reichsten Mann Russlands zum Schwerverbrecher" gebracht — inklusive Aussagen des Ex-Kreml-Beraters Alexandr Nekrassow, der noch einmal betonte, dass viele Menschen wegen Chodorkowski ihr Geld verloren hätten.

Auch auf der Webseite von "Russia Today" wird nicht positiv über Chodorkowski berichtet. Peter Lavelle, Moderator des Senders, kommentiert dort, dass die Entscheidung zur Freilassung des Kreml-Kritikers ein Paukenschlag gewesen sei. Er, als jemand, der den Fall verfolgt und auch viel darüber berichtet habe, sei sich sicher gewesen, dass der Mann seine volle Haftstrafe würde absitzen müssen.

Dass westliche Medien Putins Entscheidung in Verbindung mit Sotschi brachten, sieht er als "nicht zwingend" an. "Putin muss niemandem etwas beweisen", schreibt er. Chodorkowski, so betont der Journalist, sei kein politischer Gefangener gewesen, sondern ein Krimineller. Er habe wie andere Oligarchen in den 1990ern gestohlen, erpresst und möglicherweise auch Morde in Auftrag gegeben. Chodorkowski und seine PR-Maschine, so kommentiert Lavelle weiter, kreiere Mythen. Er sei niemals eine wahre politische Bedrohung für Putin gewesen, und Putin habe ihn nie gefürchtet.

Kaum einer erwartet Veränderungen

Auch der "Kommersant" beschäftigte sich in einem Kommentar mit dem Fall Chodorkowski. Der Autor ist sich sicher, dass der Kreml-Kritiker in Freiheit kaum mehr Einfluss auf die russische Innenpolitik haben werde als in Haft. "Weder Oppositionspolitiker noch Politologen erwarten ernsthafte qualitative Veränderungen des Regimes in Russland. Praktisch niemand zweifelt allerdings, dass Herr Chodorkowski zu einer Top-Figur der 'öffentlichen Meinung' wird."

Kritischer befasst sich denn auch in die Moskau erscheinende Wirtschaftszeitung "Wedomosti" mit dem Fall. "Es ist aber schwer vorzustellen, dass der PR-Effekt der Begnadigung Chodorkowskis all die Wunden heilen kann, die der Wirtschaft in den zehn Jahren seiner Haft zugefügt worden sind", heißt es in einem Kommentar. "In zehn Jahren ist ein System entstanden, das weiter besteht. Das System selbst empfindet den Menschen Chodorkowski schon nicht mehr als eine Bedrohung."

Genau dieser Ansicht, Chodorkowski sei keine Bedrohung mehr, schließt sich auch die Tageszeitung "Nesawissimaja Gaseta" an. Dort heißt es: "Er ist für die Machthaber in Moskau keine Bedrohung mehr. Und selbst wenn Chodorkowski seine Entscheidung noch einmal ändern sollte, würde er damit nur die Position von Präsident Wladimir Putin weiter stärken."

(das)
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