Ukraine-Krieg EU-Staaten einigen sich auf weitgehendes Öl-Embargo gegen Russland

Brüssel · Die EU-Staats- und Regierungschefs haben sich auf ein Öl-Embargo für einen Großteil der Einfuhren an russischem Erdöl verständigt. Der Beschluss decke bis Ende des Jahres „mehr als zwei Drittel der Öl-Einfuhren aus Russland ab“, erklärte EU-Ratspräsident Charles Michel am Montagabend in Brüssel.

Eine Ölpumpe in der Nähe der russischen Stadt Usinsk (Archivfoto).

Eine Ölpumpe in der Nähe der russischen Stadt Usinsk (Archivfoto).

Foto: dpa/Dmitry Lovetsky

Die EU schneide den Kreml so „von einer riesigen Finanzierungsquelle für seine Kriegsmaschinerie ab“, sagte Michel. Der Belgier schrieb auf Twitter von „maximalem Druck auf Russland“, um den Krieg gegen die Ukraine zu beenden.

Nach Angaben von Diplomaten sieht der Kompromiss konkret vor, auf Drängen Ungarns hin vorerst nur russische Öl-Lieferungen über den Seeweg zu unterbinden. Per Pipeline erfolgende Transporte sollen zunächst weiter möglich sein.

Ungarn wird sich so erst einmal weiter auf dem Landweg über die riesige Druschba-Leitung mit russischem Öl versorgen können. An ihr sind auch Raffinerien in Ostdeutschland und Polen sowie in der Slowakei und Tschechien angeschlossen. Deutschland und Polen haben allerdings bereits deutlich gemacht, dass sie nicht von der Ausnahme für Pipeline-Öl profitieren wollen.

Der Verlauf der Öl-Pipeline Druschba.

Der Verlauf der Öl-Pipeline Druschba.

Foto: dpa/dpa-infografik GmbH

Bundeskanzler Olaf Scholz begrüßte den Kompromiss. „Die EU ist sich einig“, schrieb der SPD-Politiker in der Nacht zum Dienstag auf Twitter. „Wir haben uns auf weitere einschneidende Sanktionen gegen Russland verständigt.“

Durch den zusätzlichen Verzicht Deutschlands und Polens könnte Russland im kommenden Jahr nur noch ein Zehntel der bisherigen Ölmenge in die EU verkaufen. Damit soll das Land für seinen mittlerweile seit mehr als drei Monaten andauernden Krieg gegen die Ukraine bestraft werden. Nach Schätzungen der EU-Denkfabrik Bruegel gaben EU-Staaten bis vor Kurzem noch etwa 450 Millionen Euro pro Tag für Öl aus Russland aus.

Ungarn hatte vor dem Durchbruch beim Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs in Brüssel wochenlang auf seine große Abhängigkeit von russischem Öl verwiesen und eine Einigung auf ein Embargo blockiert. Beim Gipfel forderte Regierungschef Viktor Orban insbesondere Garantien, dass sein Land im Fall von Engpässen weiterhin ausreichend Öl geliefert bekomme. Auch bestand er auf finanzieller Unterstützung in Höhe von 800 Millionen Euro zum Umbau der ungarischen Energieinfrastruktur.

Fragen zur finanziellen Unterstützung Brüssels für die Energiesicherheit der Mitgliedstaaten im Rahmen des Corona-Aufbaufonds sollen am zweiten Gipfeltag am Dienstag weiter besprochen werden. Dies wird dadurch verkompliziert, dass die Auszahlung dieser Mittel für Ungarn derzeit noch von der EU-Kommission blockiert wird. Die Behörde verweist auf Missstände im ungarischen Justizsystem und möglicherweise daraus resultierenden Missbrauch der Mittel.

Nach Angaben aus Diplomatenkreisen handelt es sich zunächst vor allem um eine grundsätzliche politische Einigung auf die Reduzierung der Öl-Importe. Viele Fragen müssen demnach im Detail noch geklärt werden. In den angenommenen Gipfelschlussfolgerungen ist etwa von einer „vorübergehenen“ Ausnahmeregelung für Pipeline-Öl die Rede. Wie lange Ungarn das russische Öl noch weiter beziehen darf, blieb offen. Die französische Ratspräsidentschaft kündigte an, dass die Verhandlungen über einen kompletten Importstopp für russisches Öl „so bald wie möglich“ beginnen sollten.

Relevant war Ungarns Blockade auch deswegen, weil das Öl-EmbargoTeil eines ganzen Sanktionspaketes ist. Dieses sieht neben dem Öl-Embargo auch vor, die größte russische Bank, die Sberbank, aus dem Finanzkommunikationsnetzwerk Swift auszuschließen. Zudem sollen Russlands staatlicher Fernseh-Nachrichtensender Russia 24 (Rossija 24) sowie die ebenfalls staatlichen Sender RTR Planeta und TV Centre in der EU verboten werden. Zu den Strafmaßnahmen gegen Russland gehören auch Sanktionen gegen rund 60 Kreml-nahe Persönlichkeiten, darunter das Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche, Patriarch Kirill.

Die EU-Staats- und Regierungschefs verständigten sich zudem auf Hilfen für die Ukraine in Höhe von bis zu neun Milliarden Euro. Die EU wolle so den „unmittelbaren Liquiditätsbedarfs“ Kiews decken, erklärte Michel in der Nacht zum Dienstag. Nach Angaben aus Diplomatenkreisen stehen die genauen Formalitäten noch nicht fest, voraussichtlich wird das Geld in Form niedrigverzinster Langzeitkredite fließen.

(peng/Reuters/AFP/dpa)
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