Trotz Schlages gegen Haqqani-Netzwerk Karsai sieht wenig Sinn in Verhandlungen mit Taliban

Kabul (RPO). Trotz des jüngsten Nato-Schlages gegen das Haqqani-Netzwerk sieht Afghanistans Präsident Hamid Karsai offenbar keinen Sinn mehr in Verhandlungen mit den Taliban. Lange Zeit war Karsai einer der größten Befürworter der Gespräche.

Doch das Selbstmordattentat auf den früheren Präsidenten und Vorsitzenden des für die Gespräche mit den Taliban zuständigen Hohen Friedensrats, Burhanuddin Rabbani, am 20. September habe seine Sicht der Dinge verändert, sagte Karsai in einer am Samstag veröffentlichten Videoaufzeichnung.

"Ihre Boten kommen und töten. Mit wem also sollen wir Frieden machen", fragte Karsai in dem Video, mit dem er sich am Freitag an eine Versammlung ranghoher religiöser Führer des Landes richtete. "Ich kann Mullah Mohammad Omar nicht finden", sagte Karsai über den einäugigen Führer der Taliban. "Wo ist er? Ich kann den Talibanrat nicht finden. Wo ist er?"

"Ich habe keine andere Antwort, als zu sagen, dass die andere Seite für diese Verhandlungen Pakistan ist", sagte Karsai. Der größte Teil der Führungsriege der Taliban lebt vermutlich in Pakistan und ihr Regierungsrat Quetta Shura tagt in der gleichnamigen südpakistanischen Stadt.

Auch die Ermordung Rabbanis wurde nach Einschätzung des afghanischen Geheimdienstes in Pakistan geplant. Ein Sprecher des Geheimdienstes, Lutifullah Maschal, erklärte am Samstag, das Attentat sei in der Nähe von Quetta vorbereitet worden. Die Ermittler hätten der pakistanischen Botschaft in Kabul entsprechende Beweise vorlegt. Darunter seien Adressen, Fotos und Karten.

Die afghanische Regierung hatte Pakistan diese Woche dafür kritisiert, dass das Land keine Anstrengungen unternommen habe, den Extremisten ihre Rückzugsgebiete abspenstig zu machen. Und falls Pakistans Geheimdienst - wie es ihm vom scheidenden US-Generalstabschef Mike Mullen vorgeworfen wurde - die Taliban gegen Afghanistan unterstütze, dann müsse die afghanische Regierung mit Pakistan verhandeln und nicht mit den Taliban, hieß es.

Nato gelingt Schlag gegen Haqqani-Netzwerk

Das aus Pakistan heraus operierende Haqqani-Netzwerk gilt als eine der größten Gefahren für die Sicherheit in Afghanistan. Der Nato gelang jedoch ein Schlag gegen das Netzwerk. Hadschi Mali Chan sei bei einem Einsatz in der Provinz Paktia an der Grenze zu Pakistan festgenommen worden, teilte das Militärbündnis am Samstag mit. Er habe keinen Widerstand geleistet. Auch sein Stellvertreter, sein Leibwächter und weitere Aufständische seien gefangen genommen worden.

"Er war eines des ranghöchsten Mitglieder des Haqqani-Netzwerks und ein angesehener Ältester des Haqqani-Clans", teilte die NATO mit. Chan habe im vergangenen Jahr ein Ausbildungslager in Paktia eingerichtet und auch den Geldfluss für Operationen organisiert.

Er sei der Onkel von Siradsch und Badruddin Haqqani, zwei Söhnen des Netzwerks-Führers Dschalaludin Haqqani. Chan habe direkt unter Dschalaludin Haqqani gearbeitet, Stützpunkte geleitet und Operationen in Afghanistan und Pakistan überwacht.

Die Nato nannte die Festnahme einen Meilenstein im Kampf gegen die Gruppe, die Verbindungen zu den Taliban und der Al-Kaida unterhält. Kurz nach der Erklärung der Nato veröffentlichte Taliban-Sprecher Sabiullah Mudschahid eine Botschaft in den afghanischen Medien. Darin bestritt er die Festnahme Chans, lieferte dafür aber keinen Beweis.

Das Haqqani-Netzwerk wird für Hunderte Anschläge verantwortlich gemacht. Darunter ist auch die 20-stündige Belagerung der US-Botschaft und des Nato-Hauptquartiers in Kabul im vergangenen Monat.

(AFP/csi)
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