EU-Gipfel in Brüssel Kampf um die Hilfen für Griechenland

(RP). Ab Donnerstagabend feilschen Europas Staats- und Regierungschefs bei einem Gipfeltreffen in Brüssel um mögliche Hilfen für das hoch verschuldete Griechenland. Wie die aussehen könnten, ist noch umstritten. Wichtig ist ein politisches Signal, um die Gemeinschaftswährung zu verteidigen.

Euro-Länder in der Schuldenfalle
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Foto: AP

Angela Merkel gegen den Rest Europas: So stellte sich bisher die Gefechts-Lage im Streit um Rettungshilfen für Griechenland dar. Berlin will beim Ratstreffen Ende der Woche in Brüssel keine finanziellen Zusagen machen. Athen, die EU-Kommission sowie die meisten europäischen Partner drängen aber auf eine Entscheidung.

Ein Vorab-Gipfel der Euro-Länder sollte am Mittwochabend einen Kompromiss bringen. Bislang streiten die Regierungen der Euro-Länder nach Angaben mehrerer EU-Diplomaten am Vorabend des EU-Gipfels aber noch immer über einen Notfallplan für Griechenland. Bisher gebe es keine Einigung über ein Hilfspaket, sagten drei mit den Verhandlungen vertraute Diplomaten. "Die Tendenz geht klar zum IWF, aber die Frage ist, was kommt noch dazu", sagte ein Eingeweihter.

Portugal von Ratingagentur herabgestuft

Am Rande des Gipfels sorgte die Meldung über eine Ratingherbasetzung eines weiteren EU-Landes für Besorgnis: Portugal wurde durch die Ratingagentur Fitch auf AA- herabgestuft (mit fallender Tendenz). Die Börsen reagierten nervös. Inwiefern diese Meldung die Entscheidungen in Brüssel beeinflussen wird, ist noch unklar. Sollten sich die öffentlichen Finanzen Portugals dieses und nächstes Jahr nicht wesentlich verbessern, drohe eine weitere Herabstufung, kündigte Fitch am Mittwoch an. Investoren fürchten, dass nach Griechenland weitere wirtschaftlich schwache Euro-Länder tiefer in die Schuldenkrise geraten könnten.

Im folgenden beantworten wir die wichtigsten Fragen zum Krisenmanagement.

Was ist der Europäische Rat?

Der Europäische Rat ist das Machtzentrum der EU: In ihm sitzen die Staats- und Regierungschefs aus den 27 EU-Staaten. Sie treffen sich viermal im Jahr zum Gipfel in Brüssel. Dort entscheiden sie faktisch alle wichtigen politischen Fragen vor — ob es um die Rettung Griechenlands oder des Weltklimas geht. Die konkrete (rechtliche) Umsetzung ihrer Beschlüsse bleibt dann den Fachministern und der EU-Kommission überlassen.

Kann der Gipfel Deutschland zur finanziellen Nothilfe für Athen zwingen?

Nein. Ohne deutsche Zustimmung läuft gar nichts. Denn die Chefrunde entscheidet im Konsens. Berlin kann nicht verpflichtet werden, die Griechen mit Steuergeld vor dem Bankrott zu retten. Falls die Euroländer tatsächlich bilaterale Hilfen gewähren, wird dies ohnehin zunächst in den nationalen Hauptstädten entschieden. Hinzu kommt: Ein Hilfs-Paket ohne die größte europäische Volkswirtschaft an Bord wäre sinnlos und würde die Märkte nicht beruhigen.

Warum will die Kanzlerin keine Gipfelentscheidung zu einem Notfallpaket für Griechenland?

Geld der Euro-Staaten für Griechenland kommt für Angela Merkel nur als letztes Mittel (ultima ratio) in Betracht, wenn Athen sich nicht mehr am Kapitalmarkt finanzieren kann. Dies ist bisher nicht der Fall. Eine Zahlungsunfähigkeit Griechenlands steht nicht unmittelbar bevor. Und der Wunsch der Athener Regierung, durch EU-Zusagen niedrigere Zinsen für Kredite zu bekommen, reicht Berlin nicht für einen Dringlichkeits-Beschluss.

Welche Rolle spielt das Bundesverfassungsgericht?

Die Bundesregierung fürchtet Klagen in Karlsruhe gegen deutsche Finanzzusagen beim Gipfel. Denn der EU-Vertrag verbietet Rettungs-Hilfen für Schuldensünder in der Euro-Zone. Die Bedingungen für Ausnahmen von diesem Herauskauf-Verbot im Notfall sieht die Bundesregierung als derzeit nicht gegeben an. Klar ist: Eine rote Karte vom Bundesverfassungsgericht für versprochene Berliner Gelder wäre ein GAU für Griechenland und die Euro-Zone. Dies würde Spekulanten Tür und Tor öffnen.

Würde Berlin Griechenland Bankrott gehen lassen?

Nein. Denn eine Pleite Athens würde unmittelbar die Stabilität der Gemeinschaftswährung gefährden. Die EU-Chefrunde hat Griechenland deswegen bereits im Februar zur Sicherung eines stabilen Euro für den Notfall grundsätzlich Beistand zugesagt. Daran ist auch die Bundeskanzlerin gebunden. Der Streit dreht sich jetzt vor allem um den Zeitpunkt und die genaue Gestaltung der Unterstützung für Griechenland.

Kann das griechische Finanzdesaster zur EU-Krise werden?

Die Gefahr besteht. Denn es geht um den Kern des europäischen Projekts, den Wirtschafts- und Währungsraum. Berlin glaubt, dass seine Stabilität nur mit radikalen Reformen zu retten ist. Deshalb will die Kanzlerin als Lehre aus der Griechenland-Krise, die EU-Verträge ändern. Der Sinn: Schärfere Sanktionen für Sünder — bis hin zur Plan-Insolvenz eines Euro-Staates und zum Rauswurf aus der Währungsunion.

Andere sehen den Euro als Ausweis europäischer Integrationsfähigkeit und sagen: "Ohne Solidarität gibt es keine Stabilität." Sie sehen das Hauptproblem in der unterschiedlichen Wettbewerbsfähigkeit innerhalb der Euro-Zone, die angenähert werden muss. Dazu schwebt ihnen eine straffere Wirtschaftsführung vor — in der Tradition des französischen Staatsdirigismus. Die Idee: Länder mit Handelsüberschüssen wie Deutschland sollen durch höhere Löhne die Marktchancen von exportschwachen EU-Partnern verbessern.

(RP/Reuters)
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