Frauen protestieren auf Kabuls Straßen Taliban gehen mit Warnschüssen gegen Demo für Gleichberechtigung vor

Kabul · Am Samstag haben Spezialkräfte der Taliban mit Warnschüssen eine Demonstration afghanischer Frauen für die Gleichberechtigung im Land beendet. Der Marsch der Frauen - der zweite innerhalb von zwei Tagen in der Hauptstadt Kabul - begann friedlich.

 Bereits am 3. September 2021 waren afghanische Frauen für ihre Rechte in Kabul auf die Straße gegangen.

Bereits am 3. September 2021 waren afghanische Frauen für ihre Rechte in Kabul auf die Straße gegangen.

Foto: AP/Wali Sabawoon

Die Teilnehmerinnen legten zunächst einen Kranz zu Ehren getöteter afghanischer Soldaten vor dem Verteidigungsministerium nieder, bevor sie zum Präsidentenpalast zogen.

„Wir sind hier, um die Menschenrechte in Afghanistan durchzusetzen“, sagte die 20-jährige Demonstrantin Marjam Naibi. „Ich liebe mein Land.“ Als die Rufe der Teilnehmerinnen lauter wurden, gingen mehrere Taliban-Vertreter auf sie zu und fragten, was sie sagen wollten. Die 24-jährige Studentin Sudaba Kabiri antwortete, der islamische Prophet habe den Frauen Rechte gegeben und sie forderten nun ihre ein. Ein Taliban-Vertreter versprach, dass afghanische Frauen Rechte erhalten sollten, traf aber mit dieser Aussage auf Skepsis unter den Demonstrantinnen.

Als die Frauen den Präsidentenpalast erreichten, stürzten sich ein Dutzend Mitglieder einer Spezialeinheit der Taliban in die Menge, schossen in die Luft und trieben die Menschen in die Flucht. Kabiri sagte der Nachrichtenagentur AP, es sei auch Tränengas eingesetzt worden.

Die Taliban haben eine gemäßigtere Form des islamischen Rechts versprochen als während ihrer letzten Regierungszeit von 1996 bis 2001. Viele Afghanen, insbesondere Frauen, sind jedoch sehr skeptisch und befürchten, dass die in den letzten zwei Jahrzehnten errungenen Rechte wieder eingeschränkt werden.

Der pakistanische Geheimdienstchef Faiez Hameed besuchte unterdessen nach Angaben aus Behördenkreisen unangekündigt Kabul. Es war unklar, was er mit der Taliban-Führung besprechen wollte, aber der pakistanische Geheimdienst hat großen Einfluss auf die Extremisten. Die Taliban-Führung hatte früher ihren Hauptsitz in Pakistan und soll in direktem Kontakt mit dem mächtigen Geheimdienst gestanden haben. Obwohl Pakistan wiederholt bestritt, den Taliban militärische Hilfe zu leisten, wurde dieser Vorwurf von der afghanischen Regierung und den USA häufig erhoben.

Taliban-Mitglieder überstrichen am Samstag in Kabul Wandbilder, die für die Gesundheitsfürsorge warben und vor den Gefahren von HIV warnten. Die Wandmalereien wurden durch Slogans ersetzt, die den Afghanen zu ihrem Sieg gratulieren. Ein Sprecher der Taliban-Kulturkommission, Ahmadullah Muttaki, twitterte, die Bilder seien übermalt worden, weil sie gegen die Werte verstießen. „Sie verderben den Geist der Mudschaheddin, und stattdessen haben wir Slogans geschrieben, die für alle nützlich sind“, erklärte er.

Die jungen Demonstrantinnen berichtete, sie seien gegen den Widerstand ihrer besorgten Familien gekommen. Manche hätten sich aus dem Haus schleichen müssen, um ihrer Forderung nach Gleichberechtigung Ausdruck zu verleihen. Farhat Popalzai, eine 24-jährige Studentin, sagte, sie wolle die Stimme der schweigenden Frauen Afghanistans sein, derjenigen, die zu viel Angst hätten, auf die Straße zu gehen. „Ich bin die Stimme der Frauen, die nicht sprechen können“, sagte sie. „Sie denken, dass dies ein Land der Männer ist, aber das ist es nicht, es ist auch ein Land der Frauen.“

(felt/dpa)
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