Machtkampf in der Türkei Justizminister bindet Richtern Maulkorb um

Istanbul · Im türkischen Machtkampf will die islamisch-konservative Regierung den Spielraum der Justiz erheblich einschränken. Der neue Justizminister Bekir Bozdag habe angeordnet, dass der Hohe Rat der Richter und Staatsanwälte (HSYK) - ein Kontrollorgan - sich nur noch nach Rücksprache mit ihm öffentlich äußern dürfe.

Das berichteten türkische Medien am Montag. Auslöser waren Korruptionsermittlungen, die auch zur Festnahme von mehreren Ministersöhnen führten. Türkische Medien bewerteten die Anweisung des Justizministers als Warnung an die Richter und Staatsanwälte. Der Hohe Rat hatte in der vergangenen Woche Einschränkungen der Arbeit von Ermittlern kritisiert. Diese Vorgaben waren von der islamisch-konservativen Regierung inmitten des schweren Machtkampfes erlassen worden. Die Regierung ordnete an, Ermittler müssten von nun an ihre Vorgesetzten über geheime Untersuchungen informieren. Hunderte Polizisten sollen zwangsversetzt worden sein.

Bozdag war in der vergangenen Woche bei einer Kabinettsumbildung ernannt worden, mit der Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan auf den Machtkampf reagierte. Bozdag war bisher Vizeregierungschef der AKP-Regierung. Die Regierung sprach von einer Verschwörung, an der auch das Ausland beteiligt sei. Verdächtigungen wurden vor allem gegen die Bewegung des im US-Exil lebenden Predigers Fethullah Gülen laut, die Einfluss auf Teile von Polizei und Justiz haben soll.

Am Montag begründete der wegen kritischer Äußerungen vor eine Disziplinarkomitee geladene AKP-Abgeordnete Erdal Kalkan seinen Austritt aus der Partei. Er stellte sich öffentlich gegen Erdogans Vorgehen gegen die Protestbewegung im Sommer des Jahres und verurteile Einflussnahme der Regierung auf die Justiz. Das türkische Volk werde sich aber nicht zum Narren halten lassen. Unterdessen wurde Medienberichten zufolge am Montag ein weiterer Polizeichef zwangsversetzt.

(dpa)
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