Britisches Gericht Assange soll nicht an die USA ausgeliefert werden

WikiLeaks-Gründer Julian Assange soll nicht an die USA ausgeliefert werden. Das entschied ein Londoner Gericht am Montag. Die USA kündigten an, in Berufung zu gehen. Über eine Freilassung Assanges auf Kaution soll am Mittwoch entschieden werden.

Großbritannien, London: Medienvertreter filmen und fotografieren einen Gefangenentransporter, der vor der Urteilsverkündung im Auslieferungsprozess gegen Julian Assange am Strafgerichtshof Old Bailey eintrifft

Großbritannien, London: Medienvertreter filmen und fotografieren einen Gefangenentransporter, der vor der Urteilsverkündung im Auslieferungsprozess gegen Julian Assange am Strafgerichtshof Old Bailey eintrifft

Foto: dpa/Dominic Lipinski

Der 49 Jahre alte gebürtige Australier werde wegen der Haftbedingungen, die ihn in den USA erwarteten, nicht ausgeliefert, teilte das Gericht am Montag mit. Im Fall einer Verurteilung hätten Assange in den USA bis zu 175 Jahre Haft gedroht. Die Richterin begründete ihre Entscheidung mit dem psychischen Gesundheitszustand Assanges und den Haftbedingungen, die ihn in den USA erwarten würden. Es sei damit zu rechnen, dass er sich in Isolationshaft das Leben nehmen werde. Über eine Freilassung Assange auf Kaution wird an diesem Mittwoch in London entschieden. Das kündigte Richterin Vanessa Baraitser an.

Die US-Justiz wirft dem gebürtigen Australier Assange vor, gemeinsam mit der Whistleblowerin Chelsea Manning - damals Bradley Manning - geheimes Material von US-Militäreinsätzen im Irak und in Afghanistan gestohlen und veröffentlicht zu haben. Der 49-Jährige habe damit das Leben von US-Informanten in Gefahr gebracht, so der Vorwurf. Seine Unterstützer sehen in ihm hingegen einen investigativen Journalisten, der Kriegsverbrechen ans Licht gebracht hat.

Der Rechtsstreit dürfte jedoch vorerst in Großbritannien weitergehen, denn gegen die Entscheidung kann Berufung eingelegt werden. Nach einer weiteren Instanz könnte das Verfahren vor den britischen Supreme Court gehen und schließlich den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg beschäftigen. Menschenrechtler, Politiker und Organisationen wie Reporter ohne Grenzen hatten zuvor gewarnt, Assange würde in den USA kein faires Verfahren bekommen.

Wikileaks-Gründer: Das ist Julian Assange
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Das ist Julian Assange

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Foto: dpa/Frank Augstein

Der SPD-Chef Norbert Walter-Borjans spricht sich für eine Begnadigung des Wikileaks-Gründers aus. „Die Aufdeckung von Straftaten muss besonderen Schutz genießen - in den USA, aber auch in Europa“, sagte der Politiker nach
der Gerichtsentscheidung. „Alleine schon aus humanitären Gründen sollte Julian Assange begnadigt werden.“

Assange stehe unter anderem für die Aufklärung von Vergehen gegen die Menschlichkeit. Whistleblowing dieser Art dürfe nicht „mit Spionage für fremde Mächte gleichgesetzt und kriminalisiert werden“, so Walter-Borjans weiter.

Assange saß bereits seit rund eineinhalb Jahren im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh im Südosten der britischen Hauptstadt. Angesichts der Corona-Pandemie durfte er nur sehr eingeschränkt Besuch empfangen, auch Telefonate nach draußen waren nicht unbegrenzt möglich. Wegen eines Corona-Ausbruches im Gefängnis wurde zeitweise ein ganzer Block unter Quarantäne gestellt. Familienmitglieder sorgten sich seit langer Zeit um Assanges psychischen und gesundheitlichen Zustand.

Assange hatte über seine Enthüllungsplattform WikiLeaks Hunderttausende geheime US-Berichte und Diplomatendepeschen veröffentlicht, die er von sogenannten Whistleblowern bekam. US-Ermittlern und westlichen Sicherheitskreisen gilt Assange damit als Staatsfeind. Nach Auffassung seiner Anhänger ist er dagegen ein Held, der Machtmissbrauch aufgedeckt habe. Um einer Auslieferung zu entgehen, hatte sich Assange in die Botschaft Ecuadors geflüchtet und dort sieben Jahre gelebt, bevor ihm 2019 das Asyl entzogen wurde. Er wurde festgenommen und kam in ein Londoner Hochsicherheitsgefängnis.

(ahar/Reuters/dpa)
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