Parlamentschef erklärt sich zum Präsidenten Machtkampf in Venezuela eskaliert

Caracas · Der junge Parlamentschef Guaidó wagt den offenen Machtkampf mit Präsident Maduro in Venezuela. Auf den Straßen gibt es gewaltsame Zusammenstöße. Die USA drohen damit einzugreifen.

 Sicherheitskräfte setzen am Mittwoch Tränengas gegen Demonstranten ein.

Sicherheitskräfte setzen am Mittwoch Tränengas gegen Demonstranten ein.

Foto: dpa/Rayner Pena

Der venezolanische Parlamentspräsident Juan Guaidó hat die sozialistische Regierung von Nicolás Maduro für entmachtet erklärt und sich selber zum Übergangs-Staatschef des von Korruption und Armut geplanten Landes ausgerufen. Minuten später erkannte US-Präsident Donald Trump den Oppositionsführer als rechtmäßigen Übergangspräsidenten an. Venezuela brach daraufhin am Mittwoch (Ortszeit) die diplomatischen Beziehungen zu den Vereinigten Staaten ab. Diplomatisches Personal müsse innerhalb von 72 Stunden das Land verlassen, sagte Maduro. „Die imperialistische US-Regierung will eine Marionettenregierung in Venezuela einsetzen“, fügte er hinzu.

Die US-Regierung rief Maduro zu einer friedlichen Machtübergabe auf und drohte dem Sozialisten andernfalls mit schweren Konsequenzen. „Alle Optionen sind auf dem Tisch“, sagte Trump. Er forderte andere Regierungen im Westen dazu auf, Guaidó ebenfalls als Übergangspräsidenten anzuerkennen.

Guaidó warf Maduro am Mittwoch vor Tausenden jubelnden Anhängern den Fehdehandschuh hin. „Vor dem allmächtigen Gott gelobe ich, die Kompetenzen der Exekutive als Interims-Präsident von Venezuela zu übernehmen“, sagte der 35-jährige Abgeordnete bei einer Kundgebung in der Hauptstadt Caracas. „Lasst uns alle schwören, dass wir nicht ruhen, bis wir die Freiheit erlangt haben.“ Die regierenden Sozialisten riefen dagegen zur Verteidigung Maduros auf.

 Juan Guaido, Präsident des entmachteten Parlaments in Venezuela.

Juan Guaido, Präsident des entmachteten Parlaments in Venezuela.

Foto: dpa/Boris Vergara

„Der Präsident ist Nicolás Maduro“, sagte der Vizepräsident der sozialistischen Partei PSUV, Diosdado Cabello, am Mittwoch bei einer Kundgebung. „Wer Präsident sein will, soll zum (Präsidentenpalast) Miraflores kommen. Dort wird das Volk sein und Nicolás Maduro verteidigen.“ Die Opposition beruft sich auf die Verfassung, nach der das Parlament übergangsweise die Exekutivgewalt übernehmen kann, wenn es keinen legitimen Präsidenten gibt.

Nach den USA erkannten auch Brasilien, Kolumbien und Paraguay Guadió als legitimen Übergangs-Staatschef an. Die Führung der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) stellte sich ebenfalls hinter Guaidó. „Unsere Glückwünsche für Juan Guaidó als Interims-Präsident von Venezuela. Er hat unseren Rückhalt, um das Land wieder zurück zur Demokratie zu führen“, schrieb OAS-Generalsekretär Luis Almagro auf Twitter. Mexikos Regierung hielt dagegen an Maduro fest.

Am Mittwoch gingen in ganz Venezuela Zehntausende Menschen gegen die sozialistische Regierung auf die Straßen. Die Demonstranten zeigten Transparente mit der Aufschrift „Wir sind frei“ und skandierten „Sie wird stürzen, sie wird stürzen, diese Regierung wird stürzen“.

Die Polizei feuerte Tränengasgranaten und Gummigeschosse in die Menge. Vermummte Demonstranten schleuderten Steine auf die Sicherheitskräfte. Nach Medienberichten wurden mehrere Demonstranten festgenommen. Auch Maduros Anhänger gingen auf die Straßen, um die Regierung zu unterstützen. Der 23. Januar ist ein symbolisches Datum für das Land, weil an diesem Tag 1958 der damalige venezolanische Diktator Marcos Pérez Jiménez gestürzt wurde.

Guaidó rief die Streitkräfte dazu auf, sich auf die Seite der Regierungsgegner zu stellen. Noch kann Maduro allerdings auf die Unterstützung der mächtigen Militärs setzen: Generäle sitzen an den wichtigen Schaltstellen der Macht, kontrollieren das Ölgeschäft, den Import von Lebensmitteln, Banken und Bergbaufirmen. Viele sollen in Korruption und kriminelle Geschäfte verwickelt sein.

Venezuela, das Land mit den größten Erdölreserven der Welt, streckt in einer tiefen politischen und wirtschaftlichen Krise. Die Opposition wird unterdrückt, viele Regierungsgegner sitzen in Haft oder sind ins Exil geflohen. Aufgrund von Devisenmangel kann das einst reiche Land kaum noch Lebensmittel, Medikamente und Dinge des täglichen Bedarfs importieren. Rund drei Millionen Venezolaner sind bereits vor dem Elend ins Ausland geflohen.

In einer vom Weißen Haus verbreiteten Mitteilung Trumps hieß es am Mittwoch: „Ich werde weiterhin das volle Gewicht der wirtschaftlichen und diplomatischen Macht der Vereinigten Staaten nutzen, um auf die Wiederherstellung der Demokratie in Venezuela zu drängen.“ Bereits im August 2017 hatte Trump gesagt: „Wir haben viele Optionen für Venezuela, einschließlich einer militärischen, falls nötig.“

Die US-Regierung warnte Maduro davor, gegen Mitglieder des Parlaments vorzugehen. Ein hochrangiger Regierungsvertreter wollte am Mittwoch auf Nachfrage auch eine militärische Option nicht ausschließen, sollte Maduro nicht friedlich die Macht übergeben. „Alles ist auf dem Tisch, alle Optionen“, sagte er. „Maduro und seine Kumpane“ hätten keine Zukunft mehr. „So oder so sind ihre Tage gezählt.“

US-Außenminister Mike Pompeo rief das Militär und andere Sicherheitskräfte in Venezuela dazu auf, „die Demokratie zu unterstützen und alle Bürger Venezuelas zu schützen“. Das Volk habe lange genug unter der „katastrophalen Diktatur“ Maduros gelitten. Die USA seien bereit dazu, humanitäre Hilfe für die Menschen in Venezuela zu leisten, soweit die Bedingungen dies zuließen. „Die Vereinigten Staaten sichern Präsident Guaidó, der Nationalversammlung und dem Volk Venezuelas unsere anhaltende Unterstützung zu.“

Präsident Maduro hatte sich vor zwei Wochen für seine zweite Amtszeit vereidigen lassen. Zahlreiche Staaten, internationale Organisationen und die Opposition erkennen ihn nicht als legitimen Präsidenten an, weil die Wahlen im vergangenen Jahr nicht demokratischen Standards entsprachen. Unterstützt wird Maduro hingegen von seinen Verbündeten in Kuba, Bolivien und Nicaragua. Zuletzt versuchte er auch, seine Beziehungen zu Russland, China und der Türkei zu vertiefen.

Die Trump-Regierung verschärfte ihren Kurs gegen Maduro dagegen in der Vergangenheit. Im November hatte Trumps Nationaler Sicherheitsberater John Bolton ein härteres Vorgehen gegen Venezuela, aber auch gegen Nicaragua und Kuba angekündigt. Bolton nannte die drei Länder damals „die Troika der Tyrannei in dieser Hemisphäre“.

Mehrere Linken-Bundestagsabgeordnete verurteilten die Ereignisse in Venezuela als Putschversuch. „Jeder aufrechte Demokrat muss diesen Putschversuch verurteilen“, schrieb die Vize-Fraktionsvorsitzende Sevim Dagdelen auf Twitter. „Kritik an der Regierung ist legitim, ein Putsch ist es nicht und klar zu verurteilen!“

(lukra/dpa)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort