Ungewohnt offene Worte Verplappert: Joe Biden bringt Verbündete gegen sich auf

Washington · US-Vizepräsident Joe Biden ist in Washington bekannt für seine lockere Zunge. Immer wieder bringen ihn undiplomatische Äußerungen in Not. Diesmal ist der Schaden noch größer als sonst: Biden musste sich bei gleich drei wichtigen Verbündeten der USA im Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat entschuldigen.

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Das ist US-Präsident Joseph „Joe“ Biden

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Foto: dpa/Patrick Semansky

Für seine Anhänger sind die verbalen Patzer des Vizepräsidenten oft Begleiterscheinung der in den USA so geschätzten Politik der offenen Worte. Doch diesmal ging der Schaden über kurzlebige Negativschlagzeilen für das Weiße Haus hinaus.

Der Grund: Er hatte sie beschuldigt, Al-Qaida-Ableger in Syrien zu bewaffnen und zu finanzieren. Am Wochenende telefonierte der Vizepräsident mit führenden Politikern der Türkei und der Vereinigten Arabischen Emirate, am Dienstag auch noch mit dem saudi-arabischen Außenminister, um seine Aussagen "zu erklären", wie sein Büro mitteilte. Es waren nicht die einzigen Ausrutscher, die sich der Vize in den vergangenen Wochen leistete.

Bidens Kommentare bedrohten nicht nur die zerbrechliche Koalition von Präsident Barack Obama, sie drängten auch das Weiße Haus in die Defensive, das sich gezwungen sah, den Schaden wieder gutzumachen, ohne seine Behauptungen direkt zu entkräften.

Das Problem im jüngsten Fall: Biden sagte in der Universität von Harvard vor laufenden Fernsehkameras, was Vertreter der Obama-Regierung sonst nur hinter vorgehaltener Hand diskutieren. So wurden die politisch unkorrekten Bemerkungen nach Ankara und Abu Dhabi transportiert, wo verärgerte Staatschefs ein Fehlereingeständnis von den USA einforderten - und auch erhielten. "Der Vizepräsident hat Charakter genug, um zuzugeben, wenn er einen Fehler gemacht hat", sagte Regierungssprecher Josh Earnest.

Angesichts von Bidens Ambitionen für die Präsidentschaftswahl 2016 - bei den Demokraten will er möglicherweise neben Hillary Clinton in den Ring treten - werfen seine jüngsten Missgriffe erneut die Frage auf, ob er fürs Oval Office geeignet wäre. "Wenn er Fehltritte begeht, wird er zu einer Marke", sagt der demokratische Politstratege Hank Sheinkopf. "Zwar mag er einige führende Demokraten erfolgreich hinter sich versammeln, aber seine Nominierung wird weniger wahrscheinlich, wenn er sich zum Narren macht."

Bereits im September hatte sich Biden Ärger eingehandelt. Nach einem Besuch in Iowa musste sich der Vizepräsident bei der amerikanischen Anti-Diffamierungsliga entschuldigen: Er hatte Geldverleiher, die mit US-Soldaten skrupellose Geschäfte gemacht hatten, als "Shylocks" bezeichnet - bei Shakespeare ein Begriff für einen jüdischen Wucherer. Auf derselben Reise sorgte er für Stirnrunzeln, als er Asien "den Orient" nannte. Auch musste das Weiße Haus Äußerungen Bidens richtigstellen, Washington erwäge die Entsendung von US-Bodentruppen gegen den IS.

Ehemalige Berater betonen, sie seien vor brisanten Treffen und wichtigen Reden die zuvor festgelegten Diskussionspunkte wieder und wieder mit ihm durchgegangen, und meist halte er sich perfekt ans Skript. Doch zuweilen habe er ihre Bitten, nicht abzuschweifen, mit Augenrollen quittiert - schließlich gehörte Biden jahrzehntelang dem Auswärtigen Ausschuss des Senates an und vertritt entschieden eine eigene Meinung.

Bidens Fans betonen, seine Offenheit trage in der übermäßig korrekten US-Politlandschaft zu seiner Beliebtheit bei. "Je mehr die Leute über ihn wissen, umso mehr schätzen sie, dass er sagt, was er denkt", sagt der ehemalige Senator Ted Kaufman, Demokrat, langjähriger Vertrauter und politischer Berater Bidens. "Ich denke, das kommt ihm bei ausländischen Führern auf der ganzen Welt zugute."

Seine Kritiker geben zu bedenken, diese kleineren Eskapaden seien nichts im Vergleich zu dem Schaden, den Biden im Oval Office anrichten könnte. Sollte er 2016 seinen dritten Anlauf wagen, so müssten sich die Wähler genau überlegen, ob sie einen solch Unberechenbaren im höchsten Staatsamt wollen.

(ap)
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