Bundespräsident in Athen Joachim Gauck bittet die Griechen um Vergebung

Athen · Bei seinem Staatsbesuch in Griechenland muss Bundespräsident Joachim Gauck die Balance zwischen Entschuldigung für deutsches Unrecht in der Vergangenheit und Ermutigung für den künftigen Kurs des Landes finden.

Gauck bittet Griechen um Vergebung für Nazi-Verbrechen
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Gauck bittet Griechen um Vergebung für Nazi-Verbrechen

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Leichter als andere ist Joachim Gauck manchmal gerührt, aber hier, in dem kleinen Ort Lingiades im Nordwesten Griechenlands, ist es viel mehr als das. Dem Bundespräsidenten stockt die Stimmen, er macht Pausen, holt Luft, hat am Ende Tränen in den Augen. Lange umarmt er den griechischen Präsidenten Karolos Papoulias, nachdem er, für alle ergreifend, diese Worte gesprochen hat: "Mit Scham und Schmerz bitte ich im Namen Deutschlands die Familien der Opfer um Verzeihung."

Der Winter ist noch nicht vorbei hier, auf den Bergen liegt Schnee. Ein kalter Wind bläst der deutschen Delegation ins Gesicht, den Angehörigen der Opfer und den Militärs, die aufmarschiert sind. Sehr laut und etwas schrill verliest eine Frau die Namen der Toten, zwischen nicht einmal einem und hundert Jahren waren sie alt an diesem 3. Oktober 1943. Sie wurden von deutschen Gebirgsjägern als Vergeltung für einen Partisanenanschlag zusammengetrieben und erschossen.

Was am Vortag in Athen noch eine eher theoretische Diskussion über deutsche Schuld und Wiedergutmachung war, erhält hier in Lingiades ein ganz anderes Gesicht. "Gerechtigkeit" und "Wiedergutmachung" skandieren ein paar Demonstranten. Der Zorn sitzt tief in Griechenland. Unerwartet massiv sah sich der Bundespräsident bei seinem Staatsbesuch der Forderung nach Reparationen ausgesetzt. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als erstens darauf zu verweisen, dass er nicht für die Bundesregierung spricht, und zweitens darauf, dass die Sache für Berlin erledigt ist.

Gauck hat auf seinen Auslandsreisen immer wieder an deutsche Verantwortung für Kriegsverbrechen und Massaker erinnert, so im französischen Oradour, im tschechischen Lidice oder im italienischen Sant'Anna di Stazzema. Trotz unbeschreiblicher Verbrechen deutscher Solddaten und Besatzer auch in Griechenland ist davon in Deutschland aber erstaunlich wenig bekannt.

Das soll sich ändern, sagt Gauck, und kündigt einen "Zukunftsfonds" an, der sich ungeachtet seines Namens um die Vergangenheit und das Erinnern kümmern soll. Dass dies den Griechen ausreicht, ist nicht zu erwarten. Zu schmerzhaft sind immer noch die Folgen der Wirtschftskrise zu spüren. Und die Griechen spannen den Bogen von der Vergangenheit in die Zukunft, von Kriegsverbrechen zu Krisenpolitik.

So sagte der Rentner Ioannis Siafakas vor einigen Tagen der Zeitung "Kathimerini" zum bevorstehenden Besuch Gaucks: "Für unser Dorf ist es gut, dass er kommt. Die Entschuldigung ist willkommen, aber sie reicht nicht. Es wäre besser, wenn der Herr Präsident helfen würde, damit einige junge Leute hier in Deutschland studieren und dass einige Arbeitslose im Dorf eine Beschäftigung finden."

Das ist eigentlich eine Steilvorlage für den Bundespräsidenten, und er versucht immer wieder, Signale der Solidarität und der Hilfsbereitschaft zu senden. Mehr kann er zumindest jetzt nicht tun.

Vor 14 Jahren schon hat sich der damalige Bundespräsident Johannes Rau bei seinem Staatsbesuch in Griechenland zum Thema Reparationen geäußert, und man darf davon ausgehen, dass Gauck dies bekannt ist.
Jenseits der juristischen Auseinandersetzung stelle sich die Frage, "ob nicht eine symbolische Geste der Deutschen an die Griechen sinnvoll wäre", sagte Rau damals. "Der Bürger Rau hat eine Meinung, die der Bundespräsident nicht sagen darf", bemerkte Rau.

Der Bürger Gauck hat dazu sicher auch eine Meinung. Es ist nicht zu erwarten, dass er das Thema auf sich beruhen lässt.

(dpa)
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