Nach Messerangriffen Jerusalemer Altstadt erstmals für Palästinenser gesperrt

Jerusalem · Mit drastischen Maßnahmen hat Israel am Sonntag auf die tödlichen Messerangriffe in Jerusalem reagiert und erstmals die Altstadt zwei Tage lang für Palästinenser gesperrt.

Diese Maßnahme sei genau wie die Zahl der eingesetzten Ordnungskräfte bisher beispiellos, erklärte der Minister für Innere Sicherheit, Gilad Erdan, im staatlichen Rundfunk. Bei Razzien und Zusammenstößen im Westjordanland erlitten am Wochenende mindestens 77 Palästinenser Schusswunden.

Am Sonntag und Montag dürften nur Bewohner der Altstadt, israelische Staatsbürger, Touristen, Ladeninhaber und Besucher von dortigen Bildungsstätten die Altstadt betreten, verfügte die israelische Polizei. Das Verbot betrifft damit einen Großteil der 310.000 palästinensischen Einwohner des von Israel besetzten Ostteils Jerusalems.

Zwei Palästinenser hatten in Jerusalem zuvor mit Messern auf Israelis eingestochen und zwei Menschen getötet. Die Polizei erschoss beide Angreifer. Am Samstagabend erstach zunächst ein Palästinenser im muslimischen Viertel der Altstadt einen 21-jährigen ultraorthodoxen Juden und einen zu Hilfe eilenden 41-jährigen Rabbiner. Anschließend griff er sich die Schusswaffe eines der Getöteten, bevor er selbst von Polizisten erschossen wurde. Das zweijährige Kind und die Frau des 21-Jährigen, ein Armee-Gefreiter, der nicht im Dienst war, wurden verletzt.

Bei dem Angreifer handelte es sich um einen 19-jährigen Palästinenser aus dem Dorf Surda nördlich von Ramallah. Die Organisation Islamischer Dschihad erklärte am Sonntag, er sei ihr Mitglied gewesen.

Kurz vor Morgengrauen verletzte ein weiterer 19-jähriger Palästinenser westlich der Altstadtmauern einen israelischen Jugendlichen mit einem Messer. Der Angreifer aus dem Ost-Jerusalemer Stadtteil Issawija wurde kurz darauf von heraneilenden Polizisten erschossen.

Seit drei Wochen ist die Lage rund um den Tempelberg in der Altstadt besonders angespannt, immer wieder gibt es Zusammenstöße zwischen Palästinensern und der israelischen Polizei. Der Ort, an dem bis ins 1. Jahrhundert der Jüdische Tempel stand und wo vor 1300 Jahren der islamische Felsendom und die Al-Aksa-Moschee errichtet wurden, gilt beiden Religionen als zentrale heilige Stätte. Wegen einer Häufung religiöser Feste, die am Montagabend enden, kam es jetzt verstärkt zu Nutzungskonflikten.

Nach dem ersten Messerangriff marschierten rechtsradikale jüdische Demonstranten am späten Samstagabend in Richtung der Jerusalemer Altstadt und riefen Parolen wie "Krieg" oder "Das Volk fordert Rache". Mehrere Palästinenser wurden geschlagen, Autos von Palästinensern wurden angegriffen, wie ein AFP-Reporter beobachtete.

Am Sonntag war die Altstadt aufgrund der neuen Auflagen ungewöhnlich menschenleer. Auf dem Tempelberg waren nur wenige muslimische Gläubige. 410 Touristen und 110 jüdische Besucher zählte die Polizei auf dem Hochplateau. Am Löwentor, wo die Einlasskontrollen in die Altstadt stattfanden, ging die Polizei mit Blendgranaten und Gummigeschossen gegen Protestierende vor.

Auch im Westjordanland war die Lage am Wochenende stark angespannt. Dort hatten am Donnerstagabend bisher unbekannte Täter ein jüdisches Siedlerpaar in einem fahrenden Auto erschossen, während dessen vier kleine Kinder auf dem Rücksitz saßen.

Bei nachfolgenden Racheakten israelischer Siedler, Razzien und Straßenblockaden der Armee sowie Protesten dagegen, erlitten nach Angaben des Roten Halbmonds am Wochenende 77 Palästinenser Schusswunden. "Innerhalb von 24 Stunden haben wir 18 Verletzte, die von scharfer Munition getroffen wurden, und 59 weitere mit Wunden von Gummigeschossen behandelt," erklärte am Sonntagnachmittag Halbmond-Sprecherin Errab Fokaha. Schwerpunkte der Zusammenstöße waren die Nachbarschaft von Ramallah, Nablus und das Flüchtlingslager Dschenin, alle im nördlichen Westjordanland gelegen.

Die palästinensische Regierung beschuldigte Israel am Sonntag, die Lage willentlich zu eskalieren. "Die Regierung verurteilt die Eskalationsstrategie der israelischen Besatzungsbehörden gegen unsere Bevölkerung in Jerusalem und dem Westjordanland", hieß es in einer Stellungnahme aus Ramallah.

(AFP)
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