Russische Kampfjets über der Türkei Die Nato glaubt nicht an ein Versehen

Düsseldorf/Brüssel · Zweimal verletzte ein russische Kampfjet im Syrien-Einsatz den türkischen Luftraum und damit das Gebiet der Nato. Russland spricht von einem Versehen. Generalsekretär Jens Stoltenberg äußert Zweifel. Zunehmend verschärft sich der Ton zwischen dem Westen und dem Kreml.

Russische Bomber: Zwischenfälle über Nord- und Ostsee
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Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg zweifelte am Dienstag die russische Darstellung an, wonach die Verletzung des türkischen Luftraums durch ein Kampfflugzeug am Wochenende ein Versehen war. "Ich werde jetzt nicht über die Motive spekulieren, aber das sieht nicht nach einem Missgeschick aus", sagte er in Brüssel. Es habe zwei derartige Vorfälle über dem Territorium des Nato-Partners gegeben, die lange andauerten. Russland warf der Nato seinerseits vor, aus einem Versehen politischen Profit schlagen zu wollen. Der Westen nutze den Vorfall aus, um die Ziele des russischen Militäreinsatzes in Syrien verfälscht darzustellen, zitierte die Nachrichtenagentur Tass den russischen Nato-Botschafter Alexander Gruschko.

Stoltenberg dagegen erklärte, die Militärallianz habe aus Moskau "keine wirkliche Erklärung" dafür erhalten, was geschehen sei. Er forderte Russland auf, den Luftraum der Türkei nicht noch einmal zu verletzen. Der Nato-Generalsekretär wollte sich jedoch nicht dazu äußern, ob die russischen Kampfjets am Samstag türkische Abfangjäger des Typs F-16 mit ihrem Zielradar erfassten. So wird gewöhnlich ein Beschuss eingeleitet. Die türkischen Jets waren aufgestiegen, um die russischen Kampfflugzeuge aus ihrem Luftraum zu vertreiben.

Nato spricht von beachtlichem Militäraufmarsch

Die Nato beobachte einen beachtlichen russischen Militäraufmarsch in Syrien, sagte Stoltenberg. Dies gelte für die Luftwaffe, die Flugabwehr, aber auch die Bodentruppen am russischen Luftwaffenstützpunkt in Syrien. Auch die russische Marine sei verstärkt präsent in der Region. In Syrien fliegen russische und amerikanische Kampfflugzeuge erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg Luftangriffe über demselben Land. Die Vorfälle belegen, wie groß das Risiko einer Eskalation des Bürgerkriegs ist.

Russland steht im syrischen Bürgerkrieg, in dem bisher rund 250.000 Menschen getötet wurden, zusammen mit dem Iran auf der Seite von Präsident Baschar al-Assad. Russische Kampfjets starteten in der vergangenen Woche Luftangriffe in Syrien, die sich nach Darstellung Moskaus gegen Stellungen der Extremisten-Miliz Islamischer Staat (IS) richten. Dem syrischen Staatsfernsehen zufolge fanden auch am Dienstag entsprechende Angriffe statt. Der Westen vermutet dagegen, dass das Bombardement der Russen hauptsächlich gemäßigten Rebellen gilt, die gegen Assad kämpfen. Den Einsatz von Bodentruppen in dem Bürgerkrieg hat der russische Präsident Wladimir Putin ausgeschlossen.

Russland prüft den zweiten Zwischenfall

Die russische Regierung prüft unterdessen den Vorwurf, dass am Sonntag ein zweiter Kampfjet während des Einsatzes über Syrien in den türkischen Luftraum eingedrungen sei. Dies meldete die russische Nachrichtenagentur Tass unter Berufung auf die russische Botschaft in Ankara.

Das Verteidigungsministerium in Moskau hatte bereits bestätigt, dass ein russischer Kampfjet am Samstag versehentlich für ein paar Sekunden in den türkischen Luftraum eingedrungen sei. Auslöser für den Vorfall sei schlechtes Wetter gewesen. Es gebe damit keinen Anlass, an Verschwörungstheorien zu stricken, erklärte das Ministerium. Russland wies auch den türkischen Vorwurf zurück, einer der Jets habe die beiden Abfangjäger mit dem Zielradar erfasst.

Die Führung in Moskau zeigte sich zugleich offen für eine Ausweitung der Luftangriffe auf den Irak. Sollte Russland eine solche Anfrage von der Regierung in Bagdad erhalten, werde man ihr nachkommen, zitierte die Nachrichtenagentur RIA die Präsidentin des Föderationsrates, Walentina Matwijenko.

(REU)
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