Berlusconis Minister gehen Italiens Regierung droht der Kollaps

Rom · Die Koalitionsregierung des italienischen Ministerpräsidenten Enrico Letta steht nach rund fünf Monaten vor dem Aus.

Die fünf Minister aus der Partei Volk der Freiheit (PdL) des ehemaligen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi erklärten am Samstagabend ihren Rücktritt. Die PdL wollte offenbar verhindern, dass Berlusconi nach seiner rechtskräftigen Verurteilung wegen Steuerbetrugs auch seinen Sitz im Senat in Rom verliert. Letta reagierte empört.

Die fünf PdL-Minister folgten einer Aufforderung Berlusconis, ein Bekenntnis Lettas zur Koalition als "nicht hinnehmbares Ultimatum" abzulehnen. Zahlreiche Parlamentarier drohten schon zuvor mit ihrem Rücktritt und mit dem Bruch der Regierungskoalition, falls Berlusconi nicht von weiterer juristischer Verfolgung ausgenommen werde.

Senat entscheidet Freitag

Der Immunitätsausschuss des Senats muss am kommenden Freitag in zweiter Abstimmung entscheiden, ob Berlusconi trotz seiner Verurteilung seinen Sitz in der zweiten Parlamentskammer behalten kann. In einer ersten Abstimmung hatte der Ausschuss dies mehrheitlich abgelehnt. Letta kündigte daraufhin an, er werde kommende Woche im Parlament die Vertrauensfrage stellen.

Auf einer Kabinettssitzung am Freitag sagte der Regierungschef, die Beilegung der politischen Krise sei Voraussetzung für die weitere Gesetzgebung. Das Kabinett hatte unter anderem über Möglichkeiten beraten, eine umstrittene Erhöhung des Mehrwertsteuersatzes von 21 auf 22 Prozent zum 1. Oktober zu verschieben.

Doch Letta erklärte anschließend, solange die politische Lage im Parlament nicht geklärt sei, werde vorübergehend jede Regierungsentscheidung, auch zu Steuern oder Wirtschaftsfragen, gestoppt.

Streit um Mehrwerterhöhung

Den Streit um die Mehrwertsteuererhöhung nannte Berlusconi nun als Motiv für den Bruch mit der Koalition. Mit seiner Entscheidung, die Mehrwertsteuer nun automatisch zum 1. Oktober zu erhöhen, verletze Letta den "Regierungspakt", erklärte Berlusconi. Er rief alle Minister seiner Partei auf, sich an der von der "Linken aufgezwungenen Schikane für die Italiener" zu beteiligen.

Lettas Koalitionsregierung wurde Ende April vereidigt. Berlusconis Verurteilung erfolgte am 1. August. Rund zwei Jahrzehnte war Berlusconi die prägende politische Figur Italiens. Die Rücktrittsankündigung der PdL-Minister könnte ein letztes politisches Manöver gewesen sein, um sein politisches Überleben zu sichern.

Die Anhänger des steinreichen Medienunternehmers argumentieren, dass das sogenannte Severino-Gesetz von 2012, wonach jeder zu mehr als zwei Jahren Haft verurteilte Politiker sein Mandat verliert, nicht auf frühere Delikte anwendbar sei.

"Große Lüge"

Angesichts von Lettas scharfer Reaktion dürfte die Strategie jedoch nicht aufgegangen sein. In einer zehnzeiligen Erklärung warf der Ministerpräsident seinem Vorvorgänger vor, die Mehrwertsteuer als "Alibi" zu missbrauchen, um den "törichten und unverantwortlichen" Rücktritt seiner Minister zu rechtfertigen. In Wahrheit diene dieser allein dem "Schutz seiner persönlichen Interessen".

Eine "derart große Lüge und ein derartige Versuch, die Wahrheit zu verzerren", werde auf Berlusconi zurückfallen, warnte Letta. Mit Blick auf die anstehende Vertrauensabstimmung erklärte er weiter, im Parlament werde nun "jeder seine Verantwortung vor dem Land übernehmen".

Wie es weitergehen wird, ist ungewiss - allein eine Rückkehr von Berlusconis Ministerriege scheint inzwischen wenig wahrscheinlich. Der Sozialdemokrat Letta könnte nun versuchen, mit Hilfe von Überläufern und der Unterstützung aus dem linken Lager eine zweite Regierung zu bilden. Diese wäre aller Voraussicht nach jedoch noch instabiler als seine bisherige Regierung, und die internationalen Märkte könnten entsprechend negativ reagieren.

(dpa/afp)
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