Sorge vor Rechtsruck Italien wählt neues Parlament

Rom · Italien wählt ein neues Parlament. Nach dem Rücktritt von Draghi wird die 68. Regierung im Rom gesucht. Die Rechten sind klar favorisiert. Das beunruhigt vor allem im Ausland. Viele Italiener sind von der Politik zermürbt. Eine sehr niedrige Wahlbeteiligung droht.

 Die Stimmzettel für die Parlamentswahlen werden vorbereitet, als ein Wahllokal in einer Schule eröffnet wird.

Die Stimmzettel für die Parlamentswahlen werden vorbereitet, als ein Wahllokal in einer Schule eröffnet wird.

Foto: dpa/Alessandra Tarantino

Die italienischen Wählerinnen und Wähler haben mit der Abstimmung über ein neues Parlament begonnen. Rund 51 Millionen Menschen waren am Sonntag aufgerufen, über die Sitzverteilung in Senat und Abgeordnetenkammer zu entscheiden. Die Wahlen sind um sechs Monate vorgezogen worden, nachdem die Regierung des populären Ministerpräsidenten Mario Draghi im Juli auseinandergebrochen war. Draghi ist noch geschäftsführend im Amt. Die Wahllokale sollten bis 23.00 Uhr geöffnet sein. Erste Ergebnisse wurden für den frühen Montagmorgen erwartet.

In den 15 Tage vor der Wahl am Sonntag durften keine Umfragen mehr veröffentlicht werden. Vor zwei Wochen lag die Partei Brüder Italiens der weit rechts stehenden Giorgia Meloni knapp vor der Mitte-links verorteten Demokratischen Partei des Ex-Ministerpräsidenten Enrico Letta. Die Fünf-Sterne-Bewegung von Drahgis Vorgänger Giuseppe Conte muss dagegen mit Einbußen rechnen ebenso wie die Lega des Rechtspopulisten Matteo Salvini.

Das komplizierte Wahlrecht in Italien bevorzugt Wahlkampfbündnisse. Während Meloni mit der Lega und der Partei Forza Italia des früheren Regierungschefs Silvio Berlusconi eine Allianz geschmiedet hat, ist es Letta nicht gelungen, die linkspopulistische Fünf-Sterne-Bewegung auf seine Seite zu ziehen und damit ein Gegengewicht zu den Rechtspopulisten zu bilden.

Umfragen zufolge könnte die Wahlbeteiligung zurückgehen. 2018 hatte sie bei 73 Prozent gelegen. Wähler monierten unter anderem, dass die drei Regierungschefs seither gar nicht für das Amt kandidiert hatten. Am Sonntag kritisierten Wählerinnen die italienische Politik insgesamt. „Ich hoffe, wir werden ehrliche Leute sehen und das ist sehr schwierig heutzutage“, sagte Adriana Gherdo vor einem Wahllokal in Rom. „Ich akzeptiere sehr gern, dass (der Premier) eine Frau sein könnte“, sagte die Wählerin Clara Invrea. „Aber es ist wichtig, dass es jemand Kompetentes ist.“

Meloni hat noch kein Regierungsamt innegehabt und könnte bei einem Wahlsieg die erste Frau an der Spitze einer italienischen Regierung werden. Ihre Partei hat Wurzeln in der neofaschistischen Bewegung. Einer der Mitgründer wurde gesehen, wie er auf einem Begräbnis den faschistischen Gruß zeigte - was er bestritt. Im Wahlkampf hat Meloni versichert, sie sei „keine Gefahr für die Demokratie“. Sie hat die Brüssler EU-Bürokratie kritisiert und den rechtsnationalen ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Oban verteidigt, nachdem die EU-Kommission empfohlen hatte, Ungarn wegen demokratischer Defizite und Korruptionsvorwürfen mehrere Milliarden Euro zu sperren.

Streitpunkt in einer rechten Regierung könnte die Politik im Ukrainekrieg werden. Meloni unterstützt Waffenlieferungen an die Ukraine, damit sich das Land gegen russische Truppen verteidigen kann. Ihr möglicher Regierungspartner Berlusconi hat sich immer wieder bewundernd über den russischen Präsidenten Wladimir Putin geäußert. Salvini lief mit pro-Putin-T-Shirts herum und sprach sich gegen die Sanktionen gegen Russland aus. In der Schlussphase des Wahlkampfs kritisierte er jedoch russische Grausamkeiten in der Ukraine.

(lha/dpa)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort