Neue Regierung in Italien Regierungschef Conte beruft neues Kabinett

Rom · Die neue Regierung in Italien aus Fünf-Sterne-Bewegung und Sozialdemokraten soll an diesem Donnerstag vereidigt werden. Luciana Lamorgese soll als Innenministerin auf Matteo Salvini folgen.

 Der alte und neue Ministerpräsident Italiens, Giuseppe Conte, stellt Staatspräsident Sergio Mattarella im Quirinalspalast sein neues Kabinett vor.

Der alte und neue Ministerpräsident Italiens, Giuseppe Conte, stellt Staatspräsident Sergio Mattarella im Quirinalspalast sein neues Kabinett vor.

Foto: dpa/Gregorio Borgia

Zwei Wochen nach dem Ende der populistischen Regierungskoalition in Rom hat Ministerpräsident Giuseppe Conte am Mittwoch in Rom sein Kabinett vorgestellt. Conte suchte am Nachmittag Staatspräsident Sergio Mattarella auf, um ihm seine Ministerliste der Regierung aus Fünf-Sterne-Bewegung und Demokratischer Partei (PD) zu präsentieren. Neun Ministerien gehen an die Sozialdemokraten, elf an die Fünf-Sterne-Bewegung. Insgesamt stehen sieben Frauen in der Regierung, darunter auch die neue, parteilose Innenministerin Luciana Lamorgese. Die ehemalige Polizeipräfektin von Mailand tritt die Nachfolge des umstrittenen Innenministers Matteo Salvini an. Lamorgese gilt als nicht an Parteien gebundene „Technokratin“.

Am Donnerstag um zehn Uhr soll das neue Kabinett im Präsidentenpalast in Rom vereidigt werden. Schließlich müssen beide Kammern des italienischen Parlaments der Regierung das Vertrauen aussprechen. Sterne-Chef Luigi Di Maio, der in der Vorgängerregierung mit der ultrarechten Lega als Vizepremier und Arbeitsminister amtierte, wechselt ins Außenministerium. Der 33-Jährige Neapolitaner verfügt bislang über wenig internationale Erfahrung. Die Schlüsselposten für Wirtschaft, Finanzen und Verteidigung gingen an Vertreter der Sozialdemokraten. Wirtschafts- und Finanzminister wird der bisherige pro-europäische, aber auch in Italien weitgehend unbekannte EU-Parlamentarier Roberto Gualtieri. Als Verteidigungsminister nominierte Conte den gemäßigten PD-Politiker Lorenzo Guerini.

Die 65 Jahre alte Süditalienerin und künftige Innenministerin Luciana Lamorgese war früher Polizeichefin von Venedig und Mailand, später auch einige Jahre Kabinettschefin im Innenministerium, allerdings vor Salvinis Zeit. Die parteilose Juristin wird die zuletzt stark umstrittene Migrationspolitik Italiens wesentlich mitgestalten. In Rom heißt es, ihr Profil stehe dem des laut polternden Salvini konträr gegenüber. Das müsse aber nicht bedeuten, dass nun Laissez-Faire in der Asylpolitik auf der Tagesordnung stehe. Die Sozialdemokraten hatten in den Koalitionsverhandlungen einen Kurswechsel in der Migrationspolitik zur Bedingung gemacht. Mit Lamorgese könnte das Thema Migration weniger politisch und populistisch aufgeladen sein als unter Amtsvorgänger Salvini.

Der künftige Wirtschafts- und Finanzminister Gualtieri war als EU-Parlamentarier seit 2014 Vorsitzender des Wirtschafts- und Währungsausschusses. Gualtieri ist Historiker und muss sehen, wie er die zahlreichen Versprechungen der neuen Linksregierung in Italien finanzieren soll. Insbesondere in den Auseinandersetzungen mit der EU-Kommission zur möglichen weiteren Neuverschuldung wird der italienische EU-Fachmann gefragt sein. Im vorläufigen Regierungsprogramm hieß es, die „exzessive Strenge der EU-Regeln“ im Hinblick auf die Staatsfinanzen sei „zu überwinden“. Mehrfach waren Italien und die EU-Kommission zuletzt in Streit geraten, weil das mit 2,3 Billionen Euro verschuldete Rom die Auflagen des EU-Stabilitätspaktes missachtet hatte. Gualtieri war einer der Chefunterhändler des Europäischen Parlaments für die Brexit-Verhandlungen.

Am Mittwoch gab auch die italienische Linkspartei Frei und Gleich (LEU) ihre Unterstützung der Regierung bekannt. LEU stellt in den beiden Parlamentskammern insgesamt 18 Parlamentarier, die Regierungsmehrheit dürfte so auf breiteren Füßen stehen. Als LEU-Vertreter rückte Roberto Speranza als Gesundheitsminister ins Kabinett. Die Linkspartei hatte sich 2017 aus Protest gegen die Politik des damaligen Parteichefs Matteo Renzi von den Sozialdemokraten abgespalten. Unter der Führung von PD-Parteichef Nicola Zingaretti erfolgte nun eine Annäherung. Am Dienstagabend hatten die Mitglieder der Fünf-Sterne-Bewegung den Weg für die neue Regierung frei gemacht. Mehr als 79 Prozent der Abstimmenden befürworteten die Bildung einer Regierung mit den Sozialdemokraten des PD, die noch bis vor Kurzem als eines der großen Übel Italiens gegeißelt wurden. Die neue Koalition hatte sich angebahnt, nachdem Lega-Chef Salvini das Bündnis platzen ließ und Neuwahlen forderte.

Am Mittwoch hatten sich die Unterhändler der Parteien auch auf ein gemeinsames Regierungsprogramm geeinigt. Einig sind sich die drei Parteien darin, die bereits eingeplante Mehrwertsteuererhöhung zu verhindern und einen Mindestlohn in Italien einzuführen. Zudem werden Steuererleichterungen für Arbeiter und Angestellte versprochen. Für Süditalien soll ein „außerordentlicher Investitionsplan“ entworfen werden. Einig sind sich die ursprünglich auf Umweltthemen spezialisierten Sterne mit Sozialdemokraten und der linken LEU auch darin, einen „Green New Deal“, also ein Förderprogramm für umweltfreundliche Technologie aufzulegen.

Beim Thema Innenpolitik, mit dem der bisherige Innenminister Matteo Salvini mit einem ultraharten Vorgehen gegen Migranten bei den Italienern gepunktet hatte, versprechen die neuen Partner ein „neues Gesetz zur Immigration“, um die Zuwanderung „einheitlich und nicht als Notstand“ zu behandeln. PD, Fünf Sterne und LEU fordern eine „deutliche europäische Antwort“ zur Migration, heißt es in einem Entwurf. Was die umstrittenen Sicherheitsdekrete von Lega-Chef Salvini angeht, wolle man die Einwände des Staatspräsidenten berücksichtigen. Mattarella hatte die Dekrete zwar unterschrieben, in einem Brief aber seine Bedenken geäußert. Denkbar ist demnach, dass die neue Regierung die Sicherheitsdekrete zumindest teilweise entschärft.

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