Nato-Streik Erdogan tadelt Botschafter wegen Jugendfestivals in Lützerath

Istanbul · Bei einem Jugendfest im Erkelenzer Tagebau-Dorf wird ein Ende des Verbots der Terrororganisation PKK gefordert. Das zieht Kreise bis zum türkischen Präsidenten und beeinflusst nun die Nato-Beitrittsverhandlungen Schwedens und Finnlands.

 Bei dem Kulturtreffen im weitgehend verlassenen Lützerath solidarisieren sich laut Veranstalter Klima-Aktivisten mit der kurdischen Freiheitsbewegung.

Bei dem Kulturtreffen im weitgehend verlassenen Lützerath solidarisieren sich laut Veranstalter Klima-Aktivisten mit der kurdischen Freiheitsbewegung.

Foto: dpa/Roberto Pfeil

Die Türkei erhöht im Nato-Streit den Druck auf ihre Verbündeten. Der deutsche Botschafter in Ankara, Jürgen Schulz, wurde am Montag ins türkische Außenamt einbestellt, wo ihm eine Protestnote wegen PKK-Parolen bei einer Veranstaltung in Nordrhein-Westfalen überreicht wurde. Außenminister Mevlüt Çavusoglu sagte, nicht nur die Nato-Aspiranten Finnland und Schweden müssten energischer gegen PKK-Aktivitäten vorgehen, sondern auch Verbündete in Europa sowie die USA. Für Präsident Recep Tayyip Erdogan zahlt sich der harte Kurs innenpolitisch aus: Seine Umfragewerte steigen.

Die Türkei wirft dem Westen vor, antitürkische Gruppen in Europa und den USA gewähren zu lassen oder gar zu unterstützen. Ankara verlangt deshalb von den Regierungen Finnlands und Schwedens, die viele türkische Regierungsgegner aufgenommen haben, sie sollten Aktivitäten der kurdischen Terrororganisation PKK in ihren Ländern konsequent verhindern und Regierungsgegner an die Türkei ausliefern. Andernfalls werde die Türkei den Nato-Beitritt der nordischen Länder mit ihrem Veto verhindern. Çavusoglu bekräftigte in einem Gespräch mit der türkischen Nachrichtenagentur Anadolu am Dienstag, die beiden Länder müssten ihre Gesetze ändern, um härter gegen die PKK vorgehen zu können. Zugleich weitete Çavusoglu die türkischen Forderungen auf Länder wie Deutschland aus.

Die PKK-nahe und prokurdische Nachrichtenagentur ANF berichtete von einem Jugendfestival im Braunkohle-Dorf Lützerath am vergangenen Wochenende, wo Redner den jüngsten türkischen Einmarsch im Nordirak kritisierten, wo die türkische Armee seit Mitte April gegen Stellungen der PKK vorgeht. Laura Fischer von der Initiative „Lützerath lebt“ habe Deutschland vorgeworfen, sich „mit dem faschistischen System der Türkei“ zu solidarisieren. Eine kurdische Rednerin von der Initiative „Make Rojava Green Again“ kritisierte der Agentur zufolge das PKK-Verbot in Deutschland. Rojava ist der Name der kurdisch kontrollierten Gebiete im Nordosten Syriens; die Türkei betrachtet die dort herrschende Kurdenmiliz YPG als Schwesterorganisation der PKK und damit als Terrorgruppe. Bei dem Festival wurden PKK-Plakate und Bilder des inhaftierten PKK-Gründers Abdullah Öcalan gezeigt. Çavusoglu sagte, der deutsche Botschafter Schulz sei deshalb „in scharfer Form“ verwarnt worden. Der französische Botschafter in Ankara wurde wegen einer Kundgebung von PKK-Anhängern bei Marseille ins türkische Außenamt zitiert.

Erdogan hatte sich in den vergangenen Tagen ebenfalls kompromisslos gezeigt und Zugeständnisse westlicher Staaten zur Lösung des Nato-Streits gefordert. Offen ist, ob sich Ankara mit einem Ende des Waffenembargos zufrieden geben wird, das einige westliche Staaten – darunter Finnland und Schweden – vor drei Jahren aus Protest gegen eine türkische Militärintervention in Syrien verhängt hatten. Zudem verlangt die Türkei von den USA die Lieferung von Kampfflugzeugen.

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