Armee tötet 19 Menschen Israelischer Überfall empört die Welt

Jerusalem (RPO). Nach dem Angriff auf einen Hilfskonvoi wächst der öffentliche Druck auf Israel. Zahlreiche westliche Regierungen zweifelten die Verhältnismäßigkeit des Vorgehens an und forderten Aufklärung. Beim Entern der Schiffe kamen 19 Menschen ums Leben, 26 weitere wurden verletzt.

Gaza 2010: Israelische Marine greift Hilfskonvoi an
13 Bilder

Gaza 2010: Israelische Marine greift Hilfskonvoi an

13 Bilder
Foto: AFP

Beim Sturm auf eine internationale Hilfs-Flottille für den Gazastreifen durch das israelische Militär sind nach neuen Informationen des israelischen Fernsehens 19 Menschen getötet worden. Zudem seien 26 pro-palästinensische Aktivisten verletzt worden, berichtete der private Fernsehsender Channel 10 am Montag. Die israelische Armee hatte zuvor von mindestens zehn Toten gesprochen und keine Angaben zu möglichen Verletzten gemacht.

Die Weltöffentlichkeit reagierte mit Bestürzung auf die Nachricht von dem harten Vorgehen der israelischen Marine. Jede Bundesregierung unterstütze vorbehaltlos das Recht Israels auf Selbstverteidigung, sagte Regierungssprecher Ulrich Wilhelm am Montag in Berlin. "Es ist aber selbstverständlich, dass dieses Recht unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ausgeübt werden muss. Der erste Anschein spricht nicht dafür, dass dieser Grundsatz eingehalten worden ist", sagte Wilhelm. "Aber man soll nicht nach dem ersten Anschein urteilen", betonte Wilhelm weiter.

Außenminister Guido Westerwelle (FDP) sagte am Montag in Berlin, nach aktuellem Kenntnisstand seien sechs Deutsche an Bord der angegriffenen Schiffe gewesen, darunter zwei Bundestagsabgeordnete. Westerwelle sagte: "Wir bemühen uns, ihren Verbleib aufzuklären." Er forderte eine umfassende Aufklärung des Falls. Dazu gehöre auch, welche Güter die Schiffe geladen hatten. So müsse überprüft werden, ob, wie behauptet, auch Waffen an Bord gewesen seinen.

EU verurteilt Angriff

"Die Union verurteilt die exzessive Gewaltanwendung scharf", erklärte EU-Außenpolitikchefin Catherine Ashton am Montag. "Wir fordern eine umgehende und umfassende Untersuchung der israelischen Streitkräfte." Diese solle klären, wie es zu der Tragödie gekommen sei. Auch eine internationale Untersuchung würde man begrüßen, fügte ein Sprecher Ashtons hinzu. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon zeigte sich ebenfalls erschüttert und forderte eine Untersuchung.

Palästinenser-Präsident Mahmud Abbas sprach von einem Massaker und rief eine dreitägige Staatstrauer aus. Die Arabische Liga verurteilte "die terroristische Tat" und beraumte eine Krisensitzung für Dienstag an. Heftige Kritik äußerten auch Syrien und Iran, die die radikale Hamas unterstützen.

Der Vorfall belastet zudem die diplomatischen Beziehungen zwischen Israel und der Türkei, weil einige der Schiffe unter türkischer Flagge fuhren. Das türkische Außenministerium nannte das Abfangmanöver unverantwortlich. "Israel wird die Konsequenzen dieses Verhaltens zu tragen haben", teilte das Ministerium mit. Das türkische Kabinett kam zu einer Sondersitzung zusammen. Der Oberbefehlshaber der Streitkräfte brach Medienberichten zufolge einen Auslandsaufenthalt ab und kehrte in die Türkei zurück. Die Regierung in Ankara rief zudem ihren Botschafter aus Israel zurück.

Auch in Europa löste der Einsatz Kritik aus: Frankreichs Außenminister Bernard Kouchner verurteilte den Militäreinsatz als unverhältnismäßig und forderte ebenso wie Deutschland und die Europäische Union eine Untersuchung des Manövers. "Nichts kann den Einsatz von Gewalt dieser Art rechtfertigen, die wir verurteilen", sagte Kouchner.

Ablauf des Angriffs unklar

Unterdessen bleibt weiterhin unklar, was sich genau in der Nacht zum Montag auf dem Mittelmeer in internationalen Gewässern ereignete. Ein Reporter berichtete von einem der Schiffe, die Israelis hätten schon geschossen, bevor sie an Bord gekommen seien. Die israelischen Streitkräfte wiederum erklärten, die Soldaten hätten erst geschossen, nachdem sie von Aktivisten mit Messern, Eisenstangen und scharfer Munition angegriffen worden seien. Vier Soldaten seien verwundet worden, davon habe einer eine Schusswunde erlitten. Ein Aktivist habe einem Soldaten die Waffe entrissen. "Die haben diesen Angriff geplant", sagte ein Militärsprecher.

Dagegen sprach die Organisation Free Gaza, die den Konvoi zusammengestellt hatte, von einem empörenden Vorfall. "Es ist abscheulich, dass die (Soldaten) an Bord kamen und Zivilisten angegriffen haben. Wir sind Zivilisten", sagte Sprecherin Greta Berlin auf Zypern.

Die sechs Schiffe, auf denen sich 10.000 Tonnen Hilfsgüter und 700 Aktivisten befanden, wurden von der israelischen Marine ins Schlepptau genommen. Hubschrauber brachten die Verwundeten in israelische Krankenhäuser.

Über die Identität der Opfer wurde zunächst nichts bekannt. An Bord der Flottille waren Dutzende europäische Abgeordnete, darunter auch die zwei linken Bundestagsabgeordneten Inge Höger und Annette Groth sowie der ehemalige Abgeordnete Norman Paech, wie der Linke-Fraktionschef Gregor Gysi mitteilte. Er erwarte von der Bundesregierung, dass sie sich unverzüglich für das Ende der Gewalt einsetze, sagte Gysi. Auch die frühere Friedensnobelpreisträgerin Mairead Corrigan Maguire aus Nordirland, die 85 Jahre alte Holocaust-Überlebende Hedy Epstein sowie eine ehemalige Abgeordnete und ein Ex-Oberst aus den USA hatten sich der Aktion angeschlossen.

(apd/AFP/Reuters/ddp/ndi)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort