Regierung Netanjahu Israel will Abgeordneten Macht über Gerichte geben
Jerusalem · Der israelische Regierungschef Netanjahu steht unter Korruptionsanklage. Nun hat sein Justizminister ein Reformprojekt vorgestellt, mit dem gewählte Politiker die Entscheidungen des Obersten Gerichts aufheben könnten.
Die Reformpläne des neuen israelischen Justizministers Yariv Levin beinhalten eine „Ausnahmeklausel“, wonach das Parlament eine Entscheidung des Obersten Gerichts nach Abstimmung mit einfacher Mehrheit widerrufen könnte. Damit könnte eine Regierungsmehrheit Gesetze beschließen, die das Gericht als verfassungswidrig abgelehnt hat.
Darüber hinaus sollten Politiker eine größere Rolle bei der Ernennung von Mitgliedern des Obersten Gericht spielen, schlug Levin am Mittwoch vor. Bislang werden die Obersten Richterinnen und Richter von einem Komitee aus Juristen, Abgeordneten und Richtern ernannt und entlassen. Levin möchte, dass die Abgeordneten in diesem Komitee künftig die Mehrheit stellen.
„Es ist Zeit, zu handeln“, sagte Levin einen Tag bevor sich die Richter mit einem umstrittenen Gesetz befassen, das es der Regierung erlaubt, Politiker ins Kabinett zu berufen, die wegen Steuervergehen verurteilt sind. Das Parlament hatte das Gesetz im Dezember beschlossen und so Netanjahus Koalitionspartner Arjeh Deri den Weg ins Amt des Innenministers geebnet. Deri ist wegen Steuerbetrugs verurteilt und Generalstaatsanwältin Gali Baharav-Miara hat sich gegen seine Ernennung ausgesprochen.
Kritiker warnen, die geplante Justizreform untergrabe die Demokratie in Israel, weil sie der am weitesten rechts stehenden Regierungskoalition in der Geschichte des Landes absolute Macht einräume. Baharav-Miara lehnte das Vorhaben ebenso ab wie Netanjahus Vorgänger, der heutige Oppositionsführer Jair Lapid. Dieser sagte, er werde die geplante Reform auf jede mögliche Weise bekämpfen und rückgängig machen, falls er wieder an die Regierung komme.
Der Wissenschaftler Amir Fuchs vom israelischen Demokratie-Institut in Jerusalem warnte vor einer ausgehöhlten Demokratie. „Wenn die Regierung die ultimative Macht hat, wird sie diese Macht nicht nur für Themen wie LGBTQ-Rechte und Asylsuchende einsetzen, sondern auch für Wahlen, freie Meinungsäußerung und alles, was sie will“, sagte er.
Levin dagegen erklärte, er wolle Richtern, die sich zu sehr einmischten, Macht entziehen und sie gewählten Volksvertretern zurückgeben. Er stellte es so dar, als sei die Demokratie „in Gefahr“, wenn „jedes Mal nicht gewählte Leute für uns entscheiden“. Das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Justiz sei auf einem historischen Tiefpunkt.
In Israel kann der Oberste Gerichtshof vom Parlament verabschiedete Gesetze wieder außer Kraft setzen, wenn er sie für diskriminierend hält. Würde das Parlament die Reform annehmen, könnten die Abgeordneten sich über eine solche Entscheidung hinweg und die Gesetze wieder in Kraft setzen.
„Ein vom Parlament verabschiedetes Gesetz kann nicht mehr von einem Richter gekippt werden“, sagte Levin, als er die Pläne den Medien vorstellte. „Es ist Sache der gewählten Regierung, über die Gesetze zu entscheiden.“

Das ist Benjamin Netanjahu
Politikwissenschaftler sagen, dass die Ausnahmeklausel auch ein Vorgehen zugunsten des Regierungschefs in dessen Gerichtsprozess erlauben könnte: Sollten die Abgeordneten dafür stimmen, dem derzeit wegen Korruptionsvorwürfen vor Gericht stehenden Netanjahu Immunität zu gewähren und der Oberste Gerichtshof dies aber für ungültig erklären, könnte das Parlament sich darüber wiederum hinwegsetzen. Levin versicherte, sein Reformplan habe nichts mit dem Prozess gegen Netanjahu zu tun.
In der vergangenen Woche übernahm Ministerpräsident Benjamin Netanjahu wieder die Regierungsgeschäfte in Israel. Er verbündete sich dafür mit ultrarechten und ultraorthodoxen Parteien und führt die am weitesten rechts stehende Regierung der israelischen Geschichte an.