Justizreform einer ultrarechten Regierung Gesetz schützt Netanjahu vor Amtsenthebung - Massenproteste in Israel
Tel Aviv · Korruption ist in Israel kein Grund mehr für eine Amtsenthebung. Dieses Gesetz hat Regierungschef Netanjahu durchgesetzt, während er wegen genau dieses Vorwurfs vor Gericht steht. Tausende gingen aus Protest auf die Straße.
Die ultrarechte Regierung Israels hat am Donnerstag ein erstes Gesetz ihrer umstrittenen Justizreform durchs Parlament gebracht, gegen die seit Wochen Zehntausende demonstrieren. Mit 61 zu 47 Stimmen wurde eine Vorlage verabschiedet, die Ministerpräsident Benjamin Netanjahu vor einer Amtsenthebung schützen soll. Am Abend gingen in ganz Israel wieder Tausende auf die Straße. Eine große Menge zog vor Netanjahus Residenz in Jerusalem.
Der Regierungschef verschob eine offizielle Reise nach Großbritannien auf den frühen Freitagmorgen und versprach in einer Fernsehansprache, die „Kluft zu heilen“, die durch das Land gehe. „Ich werde alles tun, die Wogen zu glätten und die Kluft in der Nation zu heilen, weil wir Familie sind“, sagte Netanjahu.
Damit stieß er auf Ablehnung. Oppositionsführer Jair Lapid sagte, Netanjahu habe deutlich gemacht, dass er nicht die Absicht habe, „einen wirklichen Dialog zu führen“. Auch die Protestbewegung wies Netanjahus Äußerungen umgehend zurück. „Wir haben heute Abend einen Diktator-im-Werden gesehen, der, anstatt den legalen Coup zu stoppen, die feindliche Übernahme des Obersten Gerichts fortsetzt“, hieß es in einer Erklärung. Demonstranten protestierten am Donnerstag bereits vor Netanjahus Abendansprache gegen die Justizreform.

Das ist Benjamin Netanjahu
Das verabschiedete Gesetz legt fest, dass ein israelischer Ministerpräsident nur aus gesundheitlichen oder mentalen Gründen als regierungsunfähig eingestuft werden kann. Gleichzeitig kann nur der Amtsinhaber oder seine Regierung diese Entscheidung treffen. Ein Korruptionsverdacht oder ein Interessenkonflikt reichen als Gründe für einen solchen Schritt nicht aus.
Seit elf Wochen gibt es in Israel Massenproteste gegen das Vorhaben. Auch am Donnerstag demonstrierten wieder zehntausende Israelis in mehreren Städten des Landes gegen die Regierungspläne. Dabei kam es erneut auch zu Zusammenstößen von Demonstranten mit Sicherheitskräften, in Tel Aviv setzte die Polizei Wasserwerfer ein.
Kritiker sagen, das Gesetz sei auf Netanjahu zugeschnitten, fördere die Korruption und vertiefe die Kluft zwischen den Israelis im Streit um die Justizreform. Zuvor waren Forderungen an den Generalstaatsanwalt des Landes lauter geworden, den Ministerpräsidenten wegen seiner rechtlichen Probleme für regierungsunfähig zu erklären. Der Generalstaatsanwalt hat Netanjahu bereits von der Mitwirkung an der Justizreform ausgeschlossen, weil er aufgrund seines Korruptionsverfahrens in einen Interessenkonflikt geraten könnte.
Netanjahu steht wegen Betrugs, Untreue und Annahme von Bestechungsgeldern in einer Reihe von Skandalen vor Gericht, in die reiche Partner und mächtige Medienmogule verwickelt sind. Er bestreitet ein Fehlverhalten und weist Vorwürfe zurück, er wolle durch die von seiner Regierung vorangetriebene Rechtsreform einen Prozess umgehen.
„Entweder wird Israel ein jüdischer, demokratischer und fortschrittlicher Staat sein oder ein religiöser, totalitärer, scheiternder, isolierter und abgeschotteter Staat“, sagte die frühere Außenministerin Zipi Livni, eine prominente Unterstützerin der Protestbewegung, dem israelischen Armeeradio. „Das ist es, wohin sie uns führen.“
Die Krise hat die seit langem bestehende Kluft zwischen säkularen und religiösen Israelis in der Frage verschärft, welche Rolle die Religion in ihrem Alltag spielen soll. Die Regierung lehnte Anfang des Monats einen Kompromissvorschlag zur Entschärfung der Krise ab. Sie kündigte an, sie werde die meisten Abstimmungen auf die Zeit nach der einmonatigen Parlamentspause im April verschieben. Den Kern der Reform treibt die Regierung jedoch voran: die eigene Kontrolle über die Ernennung von Richtern.