Nach internationalen Protesten Israel lockert Gaza-Blockade

Jerusalem (RPO). Zuletzt stieg der Druck auf Israel, jetzt zeigen die internationalen Proteste offenbar Wirkung: Ab sofort will der Staat nach eigenen Angaben alle Einfuhren ziviler Güter in den Gazastreifen erlauben. Zuvor war Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel (FDP) die Einreise verweigert worden.

Gaza 2010: Israelische Marine greift Hilfskonvoi an
13 Bilder

Gaza 2010: Israelische Marine greift Hilfskonvoi an

13 Bilder
Foto: AFP

"Seit heute gibt es grünes Licht dafür, dass alle Güter in den Gazastreifen eingeführt werden dürfen - außer Rüstungsgütern und Material, das die Kriegsmaschinerie der Hamas verstärken könnte", sagte ein hochrangiger Mitarbeiter des israelischen Regierungschefs Benjamin Netanjahu der Nachrichtenagentur AFP am Sonntag.

Die Einfuhren seien für die Zivilbevölkerung des Palästinensergebietes gedacht, hob er hervor. Zuvor hatte Netanjahu mit dem israelischen Sicherheitskabinett über praktische Maßnahmen zur Lockerung der Blockade des Gazastreifens beraten, wie in einer Erklärung mitgeteilt wurde.

Der internationale Druck auf Israel, die Blockade aufzuheben, war nach der gewaltsamen Erstürmung einer internationalen Gaza-Hilfsflotte durch die israelische Armee Ende Mai deutlich gewachsen. Bei dem Einsatz waren neun türkische Aktivisten getötet worden.

Unterdessen löste Israels Weigerung, Niebel in den Gazastreifen einreisen zu lassen, heftige Kritik aus. Der FDP-Politiker reagierte verärgert und bezeichnete die Entscheidung als "großen außenpolitischen Fehler der israelischen Regierung". Niebel, der auch Vizepräsident der deutsch-israelischen Gesellschaft ist, wollte während einer viertägigen Nahostreise am Sonntag eine mit deutscher Hilfe errichtete Kläranlage im Gazastreifen besuchen. Der "Leipziger Volkszeitung" sagte er, er sei "betrübt, dass es Israel momentan auch seinen treuesten Freunden so schwermacht, ihr Handeln zu verstehen".

"Fünf Minuten vor Zwölf"

Niebel sagte der "LVZ", die Zeit, die Israel angesichts der internationalen Proteste gegen die Gaza-Blockade und angesichts der stockenden Verhandlungssituation bezüglich eines grundlegenden Friedens mit den Palästinensern noch verbleibe, neige sich dem Ende zu. "Es ist für Israel fünf Minuten vor Zwölf", sagte Niebel. Israel sollte jetzt jede Chance nutzen, "um die Uhr noch anzuhalten".

Am Sonntag traf Niebel den palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas und den palästinensischen Ministerpräsidenten Salam Fayyad. Dabei bekräftigte er, dass sich Deutschland auch künftig dafür engagieren werde, die Lebensumstände der Menschen in den palästinensischen Gebieten zu verbessern.

Derweil wies der Sprecher des israelischen Außenministeriums, Yigal Palmor, die Kritik zurück. Sein Land habe eine klare Politik: "Minister gehen nicht rein." Niebel sei nicht der erste gewesen. "Wir lassen nur Leute rein, die größere Gruppen repräsentieren wie (UN-Generalsekretär) Ban (Ki Moon) oder (EU-Außenpolitikchefin Catherine) Ashton, aber nicht Vertreter einzelner Länder. Das ist nichts Neues."

Westerwelle bedauert Entscheidung

Außenminister Westerwelle erklärte: "Ich bedaure die Entscheidung der israelischen Regierung, Bundesminister Niebel die Einreise in den Gaza-Streifen zu verweigern." Ziel der Bundesregierung bleibe das vollständige Ende der Abriegelung des Gazastreifens.

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages, Ruprecht Polenz (CDU), sagte dem "Tagesspiegel", es gebe keinen politischen Grund für die Entscheidung Israels. Deutschland beteilige sich sowohl bilateral als auch über die EU in erheblichem Umfang an der humanitären Hilfe für den Gazastreifen.

Zentralrat wirbt um Verständnis

Der stellvertretende Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dieter Graumann, sagte dem Online-Portal des "Handelsblatts": "Minister Niebel ist als herzlicher und ausgewiesener Freund von Israel bekannt, umso ernster ist daher seine Kritik zu nehmen." Graumann warb zugleich für die israelische Position: "In Israel will man unbedingt jede Eskalation vermeiden und reagiert im Moment angesichts der vielfach übertriebenen und ungerechten Hetzkampagne, der man sich ausgesetzt fühlt, gerade ganz besonders verletzt und dünnhäutig."

(AFP/AP/ndi)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort