Luftangriff und Raketenbeschuss Hamas-Kommandeur und israelischer Soldat getötet

Gaza/Tel Aviv · Ein Kommandeur der Hamas ist bei einem israelischen Luftangriff getötet worden. Außerdem tötete eine Rakete aus dem Gazastreifen einen israelischen Soldaten. Seit Montagabend eskaliert der Konflikt zwischen militanten Palästinensern und Israel. Auf beiden Seiten gibt es Todesopfer und Verletzte.

 Eine Straße in Gaza ist nach israelischen Luftangriffen schwer beschädigt. Die Zahl der getöteten Palästinenser ist am Mittwoch weiter gestiegen.

Eine Straße in Gaza ist nach israelischen Luftangriffen schwer beschädigt. Die Zahl der getöteten Palästinenser ist am Mittwoch weiter gestiegen.

Foto: dpa/Mohammed Talatene

Bei einem israelischen Luftangriff ist der Kommandeur der Hamas in Gaza-Stadt, Bassem Issa, ums Leben gekommen. Das teilte die Organisation am Mittwoch mit. Er war der ranghöchste Hamas-Extremist, der seit dem Krieg von 2014 getötet wurde.

Der militärische Flügel der Hamas erklärte, gemeinsam mit Issa seien weitere Hamas-Führer und „heilige Kämpfer“ getötet worden. Zuvor hatte bereits der israelische Geheimdienst mitgeteilt, dass Issa und mehrere Hamas-Führer eine Serie von israelischen Luftangriffen nicht überlebt hätten. Issa bildete mit mehreren Kommandeuren, die für die einzelnen Bezirke im Gazastreifen verantwortlich sind, den militärischen Rat der Hamas, der über gewaltsame Operationen gegen Israel entscheidet.

In Israel ist ein Soldat durch eine Rakete aus dem Gazastreifen getötet worden. Wie die israelische Armee am Mittwoch mitteilte, wurde der 21-Jährige bei einem Einsatz zum Schutz von Dörfern nahe der Grenze von einer Panzerabwehrrakete zum Gazastreifen getroffen und tödlich verletzt.Nach Angaben des israelischen Militärs starben in Israel mindestens fünf weitere Menschen durch Raketenbeschuss. Das Gesundheitsministerium in Gaza bezifferte die Zahl der Toten auf mehr als 50.

International wuchs die Besorgnis über die Eskalation des Konflikts. Tel Aviv war in der Nacht auf Mittwoch unter so heftigen Beschuss geraten wie nie zuvor. Verteidigungsminister Benny Gantz stimmte die Bürger auf einen längeren Militäreinsatz ein. Der UN-Sicherheitsrat wollte am Mittwoch zum zweiten Mal binnen weniger Tage zu einer Dringlichkeitssitzung zusammenkommen.

Beobachter vermuteten, dass die Tötung der hochrangigen Hamas-Vertreter eine Verschärfung der Raketenangriffe nach sich ziehen könnte. Die Einsätze gegen die Hamas-Vertreter erfolgten den israelischen Angaben zufolge gleichzeitig in Chan Junis und Gaza. Die israelische Armee und der Geheimdienst teilten mit, die Getöten ständen dem legendären Militärchef Mohammed Deif nahe und seien Teil des militärischen Stabs der Hamas.

Der Konflikt in Nahost hat sich seit Beginn des Ramadan Mitte April immer weiter verschärft. An diesem Mittwochabend sollte der muslimische Fastenmonat enden. In den vergangenen Tagen hatte es zunächst vor allem in Jerusalem heftige Zusammenstöße zwischen Palästinensern und israelischen Sicherheitskräften gegeben. Auslöser waren unter anderem Proteste gegen Polizei-Absperrungen in der Altstadt sowie drohende Zwangsräumungen palästinensischer Familien im Viertel Scheich Dscharrah. Zu Gewalt kam es zuletzt auch in arabischen Ortschaften im israelischen Kernland. In Deutschland waren in der Nacht zum Mittwoch vor Synagogen in Münster und Bonn israelische Flaggen angezündet worden.

Wie das israelische Militär am Mittwochmorgen mitteilte, wurden rund 850 der mehr als 1000 aus dem Gazastreifen abgefeuerten Raketen entweder abgefangen oder sie gingen in Israel nieder. Etwa 200 weitere seien noch im Gazastreifen niedergegangen. Der militärische Arm der Hamas feuerte nach eigenen Angaben am Mittwoch auch 15 Raketen in Richtung der Wüstenstadt Dimona ab. Dort liegt Israels Atomreaktor. Dieser gilt allerdings als extrem gut geschützt.

Die Hamas baut sich ihre Waffen entweder selbst oder schmuggelt sie in das Küstengebiet, über Ägypten oder den Seeweg. Zahlen zu ihrem Raketenarsenal nannte die Gruppe, die von Israel und der EU als Terrororganisation eingestuft wird, bislang noch nie. Das Thema gilt als streng geheim. Es ist verboten, darüber zu reden oder Nachfragen dazu zu stellen. Seit Ende 2014 hat sich die Hamas stark um einen Ausbau ihres Arsenals und ihrer militärischen Fähigkeiten bemüht. Israel geht davon aus, dass militante Gruppen im Gazastreifen dazu in der Lage sind, täglich Hunderte Raketen auf Israel abzufeuern.

Die Bundesregierung verurteilte die Raketenangriffe der Hamas und mit ihr verbündeter extremistischer Gruppen auf Städte in Israel scharf. „Ihr Ziel ist es, wahllos und willkürlich Menschen zu töten“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier drückte den Menschen in Israel seine „uneingeschränkte Solidarität“ aus. Nichts rechtfertige die Raketenangriffe auf das Land, sagte er am Mittwoch bei einem Telefongespräch mit Israels Staatspräsidenten Reuven Rivlin nach Angaben des Bundespräsidialamts.

Irans Außenminister Mohammed Dschawad Sarif kritisierte derweil Israel bei einem überraschenden Besuch im Bürgerkriegsland Syrien in scharfen Tönen. Die „kriminellen Handlungen“ Israels hätten die Lage in der Region deutlich verschlechtert, sagte Sarif in Damaskus.

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Fassung berichteten wir auf Basis einer Meldung von dpa im ersten Absatz, dass Bassem Issa Kommandeur der Hamas im gesamten Gazastreifen war. Issa war jedoch Kommandeur der Hamas in Gaza-Stadt. Wir haben den Fehler korrigiert.

(bora/dpa/afp)
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