Ein Mitgefangener berichtet über IS-Geisel Peter Kassig — jetzt "ein sehr gläubiger Muslim"

London · Vier westliche Entführungsopfer hat die Terrormiliz IS bereits ermordet, und in jedem Video droht sie mit der Ermordung eines weiteren Menschen. Zuletzt mit der von Peter Kassig, einem freiwilligen Helfer aus den USA. Ein französischer Journalist, der einige Monate mit dem 26-Jährigen in Gefangenschaft verbrachte, berichtet nun aus dieser Zeit.

Das ist der US-Bürger Peter Kassig
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Das ist der US-Bürger Peter Kassig

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Schon im Juni hatte Peter Kassig in einem Brief an seine Eltern geschrieben, dass er "Angst zu sterben" habe. Der junge Mann, der eine eigene Hilfsorganisation gegründet hatte, um den Menschen im syrischen Bürgerkrieg zu helfen, ist seit Oktober vergangenen Jahres in den Händen der IS-Dschihadisten. Nun drohen sie, auch diese westliche Geisel zu ermorden.

Dass Kassig inzwischen zum Islam übergetreten ist, scheint für die Entführer dabei keine Rolle zu spielen, wie auch ein französischer Journalist berichtet, der vier Monate mit Kassig gefangen war und durch eine Initiative der französischen Regierung freikommen konnte. "Manche Wachmänner hatten mehr Respekt vor denen, die konvertiert sind", erzählt Nicholas Henin der britischen BBC. "Aber für andere Geiselnehmer, hatte ich das Gefühl, spielte das keine Rolle."

"Der Punkt ist, dass der IS jeden Tag Muslime tötet"

Der US-Journalist Steven Sotloff
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Der US-Journalist Steven Sotloff

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Der Journalist erinnerte in den Gesprächen mit der BBC und der britischen Zeitung "The Telegraph" aber auch daran, dass die IS keineswegs mehr Respekt vor Muslimen zeigt, auch wenn die Terroristen gerade ihre westlichen Opfer immer wieder als "Ungläubige" bezeichnen. "Der Punkt ist, dass der IS jeden Tag Muslime tötet", sagt Henin. "Die meisten Opfer der IS sind Muslime", fügt er noch hinzu, um deutlich zu machen, dass gerade in Syrien und im Irak viele Menschen Opfer der Dschihadisten werden.

Henin erzählte den britischen Medien von seiner ersten Begegnung mit Peter Kassig. Das sei im Dezember vergangenen Jahres gewesen. "Er hat sich allen Wachen als Abdul Rahman vorgestellt", sagt er. "Peter erzählte mir, wie wichtig der Islam für ihn war, wie sehr er ihm half, die Situation in Gefangenschaft zu ertragen. Und er war ein sehr gläubiger Muslim."

Er sei einer von mehreren Gefangenen gewesen, die zum Islam konvertiert seien, fünf Mal am Tag beteten und sich strenggläubig verhielten. Doch der Journalist bestreitet, dass ihr Konvertieren eine Art "Stockholm Syndrom" sei. "Unsere Geiselnehmer waren nicht sehr gut in Psychologie. Aber sie waren sehr gut darin, uns davor zu bewahren, dass wir das Stockholm Syndrom bekommen", fügte er hinzu mit Verweis darauf, dass die Geiseln regelmäßig geschlagen wurden.

Der US-Journalist James Foley
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Der US-Journalist James Foley

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Gefangenschaft in Terror und Hunger

Der Alltag in Gefangenschaft selbst sei bestimmt gewesen von Langeweile, Terror der IS und Hunger. "Die Routine bestand meist darin, auf das Essen zu warten, weil wir niemals genug bekamen. Und Abdul Rahman teilte grundsätzlich alles, aber schaute immer nach Süßem. Er schaute immer, ob er noch extra Marmelade bekommen konnte."

Und dann fügt er noch hinzu: "Er kam nach Syrien aus Idealismus, weil er dachte, er könne helfen. Und ich denke, er hat gute Arbeit geleistet, bevor er entführt wurde, und dann hatte er das Pech, gefangen genommen zu werden. Das ist die gleiche Ungerechtigkeit, die wir bei Alan Henning und all den anderen gesehen haben. Ich meine, diese Menschen wollten den Syrern nur helfen."

(das)
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