Vier Monate nach Wahl Irak noch immer ohne Regierung

Bagdad (rpo). Einen schweren Rückschlag haben die Bemühungen um die Bildung einer irakischen Regierung erlitten: Wegen anhaltenden Streits um die Besetzung von Spitzenämtern wurde die für Montag geplante zweite Sitzung des neuen irakischen Parlaments kurzfristig verschoben.

Irak-Wahl: Wichtige Etappen zur Unabhängigkeit
18 Bilder

Irak-Wahl: Wichtige Etappen zur Unabhängigkeit

18 Bilder

Der Streit geht nicht mehr nur um die Nachfolge des schiitischen Ministerpräsidenten Ibrahim Dschaafari. Wie der kurdische Abgeordnete Mahmud Othman am Montag mitteilte, lehnt die schiitische Fraktionsmehrheit nun ihrerseits den sunnitischen Kandidaten für das Amt des Parlamentspräsidenten ab. Außenminister Hoschjar Sebari äußerte dennoch die Hoffnung, dass die Regierung bis Ende April steht.

"Die politische Krise hat sich vertieft", sagte Othman der Nachrichtenagentur AFP. Der Vorschlag der Sunniten, den Chef der Islamischen Partei, Tarek el Haschimi, zum Parlamentspräsidenten zu ernennen, stoße auf den Widerstand der Schiiten. Auch in der Frage der Nachfolge für den umstrittenen Regierungschef Dschaafari sei noch keine Lösung in Sicht. Kurden und Sunniten lehnen eine erneute Kandidatur Dschaafaris ab, dem sie vorwerfen, der zunehmenden Gewalt zwischen den verschiedenen Religions- und Volksgemeinschaften tatenlos zuzusehen. Angesichts der vielen Probleme bei der Regierungsbildung glaubt Othman nicht mehr an eine rasche Lösung.

Nach Angaben des schiitischen Abgeordneten Bassem Scharif sollte die Parlamentssitzung "in einigen Tagen" nachgeholt werden. Die Fraktionen bräuchten mehr Zeit, um sich über die Besetzung der Spitzen von Staat, Regierung und Parlament zu einigen, sagte Scharif am Sonntag nach einem Treffen der Fraktionschefs mit Präsident Dschalal Talabani.

Vier Monate nach der Parlamentswahl am 15. Dezember steht der Irak damit immer noch ohne endgültige Regierung da. Die bisher einzige Sitzung des neuen Parlaments war am 16. März wegen des Streits um die Zusammensetzung der künftigen "Regierung der nationalen Einheit" schon nach kurzer Zeit geendet. In erster Linie geht es dabei um die Posten des Präsidenten, seiner beiden Stellvertreter, des Ministerpräsidenten und des Parlamentspräsidenten. Die Fraktionen müssen sich zudem auf die Besetzung des in der Verfassung vorgesehenen Präsidentschaftsrats einigen. Dieses aus einem Schiiten, einem Sunniten und einem Kurden bestehende Gremium muss die Wahl des Regierungschefs bestätigen.

Anders als Othman rechnet Außenminister Sebari mit einer Lösung der Pattsituation noch in diesem Monat. "Realistischerweise" hoffe er, dass die neue Regierung bis Ende April zustandekommen werde, sagte Sebari der BBC. Er verstehe die Ungeduld der Anhänger des neuen demokratischen Irak und erkenne ebenfalls, dass die Zeit dränge. Auch der irakische Botschafter in den USA, Samir Sumaidaie, rechnet mit einer Entscheidung in den kommenden Tagen. Einigkeit herrsche inzwischen, dass Ministeräsident Dschaafari von einem schiitischen Parteikollegen abgelöst werden solle, sagte Sumaidaie am Sonntag dem Sender CNN. Als aussichtsreichster Kandidat gelte Ali el Adib, der wie Dschaafari der Dawa-Partei angehört.

Vor dem Hintergrund der politischen Lähmung ging die Gewalt im Irak ungehindert weiter. Am Sonntag starben landesweit bei mehreren Angriffen und Anschlägen mindestens 31 Menschen. Am Montag wurden erneut mindestens vier Iraker getötet. In einer Bagdader Leichenhalle entdeckten Angehörige zudem die Leiche des Ende März verschleppten Bruders des sunnitischen Parteichefs Salah Motlak. Taha Motlak war gemeinsam mit dem Bruder eines weiteren sunnitischen Parteiführers entführt worden, von diesem fehlt bis heute jede Spur. Am vergangenen Donnerstag hatten Unbekannte den Bruder des sunnitischen Parteichefs Haschimi erschossen.

(afp2)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort