Warschau erwägt Lösegeldzahlung Irak: Kidnapper drohen mit Hinrichtung

Bagdad (rpo). Ein türkischer und ein ägyptischer Lastwagenfahrer wurden im Irak entführt. Eine Nachrichtenagentur erhielt ein Videoband, in dem sich vermummte Bewaffnete mit den zwei Geiseln zeigen und Drohungen aussprechen. Bei dem gestern gekidnappten polnischen Bauarbeiter schließt Warschau eine Lösegeldzahlung nicht aus. Unterdessen detonierte in Bagdad erneut eine Autobombe.

Zwei arabische Sender haben am Mittwoch ein Video ausgestrahlt, in dem Bewaffnete in Irak mit der Ermordung einer türkischen und einer ägyptischen Geisel drohen. Die Bilder auf El Dschasira und El Arabija zeigen eine Gruppe vermummter Bewaffneter, vor denen die beiden Geiseln sitzen. In den Händen halten sie offenbar ihre Pässe. Einer der Vermummten verliest eine Erklärung an die "moslemischen Völker" in der Türkei und in Ägypten. Darin beschuldigen sie die beiden Männer, mit den US-Besatzern zusammengearbeitet zu haben. Sie hätten "Gott und seinen Propheten verraten" uns würden deshalb nach der Scharia verurteilt. Allen, die es wagten, mit den "ungläubigen amerikanischen Feinden zusammenzuarbeiten", drohe dasselbe Schicksal. Keiner der Sender erklärte, woher das Video stammt. Diese Geiseln brachten nach Angaben der Bewaffneten Nachschub von Kuwait nach Irak und wurden entführt, weil sie für die US-Besatzungstruppen arbeiteten. Ein ähnliches Band wurde von den Fernsehsendern El Dschasira und El Arabija ausgestrahlt. Wann und wo die Männer in die Gewalt der Bewaffneten gerieten, war nicht bekannt. Sie würden in Übereinstimmung mit islamischem Recht behandelt, erklärten die Geiselnehmer. "Wir warnen alle, die den Amerikanern helfen, dass ihnen dasselbe Schicksal droht."

Im Fall des in Irak entführten polnischen Arbeiters schließt Polens Präsident Aleksander Kwasniewski eine Lösegeldzahlung durch das betroffene Unternehmen nicht aus. "Ich möchte im Moment nichts vorwegnehmen, alles hängt von der Situation ab", sagte Kwasniewksi in einem Radio-Interview. Er warnte jedoch zugleich, eine Lösegeldzahlung könne Terroristen und Entführer ermutigen.

Ein Sprecher des Bauunternehmens Jedinka sagte, seine Firma sei zu allem bereit, um ihren Angestellten zu befreien - auch zu einer Lösegeldzahlung. Der Geschäftsführer solle nach Bagdad reisen, um den Vorfall zu untersuchen. Wenn es den Entführern tatsächlich um Geld gehe, werde er vor Ort entscheiden. Am Dienstagabend waren zwei Polen zusammen mit zwei irakischen Angestellten und drei kurdischen Sicherheitsmännern aus dem Bürogebäude der polnischen Firma entführt worden. Einer der polnischen Arbeiter konnte entkommen. Das Unternehmen Jedynka baut für mehrere Millionen Euro vier Wohnviertel im Irak.

Bei einem Autobombenanschlag im Norden von Bagdad sind nach Krankenhausangaben mindestens vier Menschen getötet und 34 weitere verletzt worden. Unter den Verletzten seien mindestens fünf Kinder, sagte Polizei-Leutnant Mohammed Abdel Asis. Die Autobombe sei auf der Straße Omar Abdel Asis im Viertel Adhamijah explodiert, als ein Konvoi von US-Geländefahrzeugen vorbeigefahren sei. Der Konvoi sei nicht getroffen worden. Als sich Anwohner dem Autowrack näherten, in dem die Bombe explodiert war, habe es eine zweite Explosion gegeben, bei der Passanten getötet und verletzt worden seien.

In der den Schiiten heiligen Stadt Kufa kam es derweil abermals zu Gefechten zwischen Anhängern des radikalen Predigers Muktada el Sadr und US-Truppen. Nach Krankenhausangaben wurden mindestens drei Iraker getötet und 16 weitere verletzt. Die Gefechte ereigneten sich wie in den vergangenen Tagen in der Nähe einer Moschee.

Einen Tag nach der Präsentation des Übergangskabinetts in Bagdad hat der UN-Sondergesandte Lakhdar Brahimi das irakische Volk zur Zusammenarbeit mit der neuen Regierung aufgefordert. Der nächste wichtige Schritt sei nun die Vorbereitung der bis Ende Januar 2005 vorgesehenen Wahl. Zur Nominierung des bisherigen Vorsitzenden des Bagdader Regierungsrats zum Interimspräsidenten sagte Brahimi am Mittwoch, Ghasi Maschal Adschil el Jawer sei für das Amt qualifiziert. "Wir glauben, dass er der Präsident aller Iraker sein wird."

Der irakische Politiker Ahmad Tschalabi hat nach einem Bericht des US-Senders CBS einem iranischen Geheimdienstmitarbeiter in der Vergangenheit mitgeteilt, dass die USA die iranischen Geheimcodes entschlüsselt hätten und vertrauliche Mitteilungen daher lesen könnten. Die "New York Times", die "Los Angeles Times" und die "Washington Post" berichteten daraufhin ebenfalls unter Berufung auf US-Quellen, Tschalabi habe dem iranischen Geheimdienstchef in Bagdad gesagt, dass die USA dessen Kommunikation mitläsen. Der Iraner habe das Gespräch in einer Notiz an Teheran weitergegeben, die vom US-Geheimdienst abgefangen worden sei. Ein Sprecher des Geheimdienstes CIA wollte zu den Berichten am Dienstagabend nicht Stellung nehmen.

Tschalabi unterhielt vor dem Irak-Krieg gute Kontakte zum amerikanischen Verteidigungsministerium und galt als möglicher künftiger Regierungschef. Er belieferte die USA mit Informationen über irakische Massenvernichtungswaffen, die als Kriegsgrund dienten, bislang aber nicht gefunden wurden. Jüngst kritisierte Tschalabi Washingtons Pläne für die Zeit nach der Übergabe der Souveränität an die Iraker. Seinem Irakischem Nationalkongress (INC) entzogen die USA im Mai die finanzielle Unterstützung.

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