Konflikt im Irak Die Kurden kämpfen für einen eigenen Staat

Düsseldorf · Das heutige Siedlungsgebiet der Kurden umfasst Gebiete in der Türkei, im Irak, im Iran und Syrien. Durch den Vormarsch der IS-Milizen im Irak wird auch das Millionenvolk bedroht. Ein Volk, das um einen eigenen Staat kämpft.

Die wichtigsten politischen Akteure im Irak
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Foto: ap

Im Sindschar-Gebirge im Nordirak verschlechtert sich zusehends die Lage der rund 40.000 vor den sunnitischen Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) geflohenen Jesiden. Kurdische Peschmerga-Kämpfer haben inzwischen den Vormarsch der Terrormilizen verlangsamt und einen Sicherheitskorridor geschaffen, durch den ein Teil der Jesiden in Sicherheit gebracht werden konnte.

Auch die Kurden werden von den IS-Milizen bedroht, die ein strenggläubiges islamistisches Kalifat aufbauen wollen. IS-Kämpfer hatten kurdische Einheiten aus dem Gebiet nördlich und westlich der Stadt Mossul vertrieben. Die Bereiche gehören nicht zum kurdischen Autonomiegebiet, werden aber von den Kurden beansprucht. In Mossul halten IS-Kämpfer Dutzende Angehörige des türkischen Konsulats als Geiseln.

Wer sind die Kurden?

Die Kurden sind ein Millionenvolk bisher ohne einen eigenen Staat. Sie leben vorwiegend in der Türkei, im Irak, im Iran und Syrien. Genaue Zahlen über ihre Stärke gibt es nicht. Schätzungen gehen von mindestens 25 Millionen Kurden aus. Im 7. Jahrhundert waren die Kurden zum Islam konvertiert.

Warum haben sie keinen Staat?

In ihrem Siedlungsgebiet hatten die Kurden einst Lokalfürsten und Fürstentümer. Nach Ende des Ersten Weltkrieges und der Aufteilung des Osmanisches Reiches war den Kurden im Vertrag von Sèvres (1920) im früheren Osmanisch-Kurdistan die staatliche Unabhängigkeit versprochen worden, was aber zwei Jahre später im Vertrag von Lausanne rückgängig gemacht wurde. 1923 rief Mustafa Kemal Atatürk die türkische Republik aus, in der die Kurden nicht als ethnische Minderheit anerkannt wurden. Durch die Aufteilung des Osmanischen Reiches in neue Staaten und Einflussgebiete wurde Kurdistan zerstückelt. Doch der Wunsch nach einem eigenen Staat ist bis heute geblieben, auch wenn die Kurden verfolgt, ihrer elementarsten Rechte beraubt und diskriminiert wurden.

Ist ein eigener Staat realistisch?

Ja. Heute mehr denn je. Im Nord-Irak liegen große Kurdengebiete. Der langjährige Diktator Saddam Hussein hatte sie grausam verfolgt, auch wenn sie seit 1970 kulturelle Rechte zuerkannt bekamen. 1988 ging Saddam Hussein mit Giftgas gegen die Kurden vor. Allein in Halabdscha kamen mehr als 5000 Menschen um. Tausende Dörfer wurden zerstört. Im Golfkrieg 1991 richtete die Uno im Irak nördlich des 36. Breitengrades eine Schutzzone ein. Sie war der Kern einer Autonomieregion mit eigener Regierung und eigenem Parlament.

Militärisch stützen sich die Kurden auf die Peschmerga, die gleichsam die Armee bilden. Die kurdische Hauptstadt ist Erbil. Im neuen Irak der Nach-Hussein-Zeit steht den Kurden der Posten des Staatschefs zu. Von den 33 Millionen Irakern sind rund 20 Prozent Kurden. Autonomiepräsident Massud Barsani treibt die Bestrebungen nach einem eigenen Staat im Norden mit den reichen Ölfeldern voran. Er ist einer der stärksten Kritiker des irakischen Ministerpräsidenten Nuri al Maliki (Schiit), der die Unabhängigkeit des Gebiets vehement ablehnt. Ein Kurdenstaat ist politisch gleichbedeutend mit dem Zerfall des Irak in drei Teile. Die neue Machtverteilung in der Region könnte zur Destabilisierung der Region führen.

Was sagen Türkei und Iran?

Bis vor einigen Jahren war der Gebrauch der kurdischen Sprache in der Türkei verboten. 1984 begann der bewaffnete Kampf der kurdischen Untergrundorganisation PKK im Südosten der Türkei. Die PKK schreckte vor Terror nicht zurück. Das türkische Militär reagierte drastisch. Bei dem Konflikt kamen mehr als 35.000 Menschen um. 1999 wurde PKK-Führer Abdullah Öcalan verhaftet. Seine Todesstrafe wurde in lebenslange Haft umgewandelt.

Die Türkei ging später auf die Kurden zu, verbesserte ihre Rechte als Minderheit. Bei der Präsidentschaftswahl am vergangenen Wochenende trat auch ein kurdischer Kandidat an. Einen eigenen kurdischen Staat sieht die Türkei nicht mehr so kritisch, solange er nicht türkische Gebiete einbezieht. Ein solcher Staat im Nordirak könnte als Pufferstaat zu dem, was vom Irak übrig bleibt, fungieren. Er wäre auch eine Art Bollwerk gegen die Bedrohung durch den IS.

Ähnliches gilt für den Iran, der die Kurden als Rebellen sieht. 1979 hatte der Iran kurdische Städte und Dörfer bombardiert. Unruhen gab es auch 2005. Als schiitischer Gottesstaat will der Iran den Vormarsch der sunnitischen Kämpfer des "Islamischen Staats". Daher unterstützt Teheran zum Teil verdeckt die Peschmerga-Kämpfer im Nord-Irak.

(RP)
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