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Viele Tote bei Unruhen in Kairo Innenminister: "Muslimbrüder haben provoziert"

Kairo · Die Gewalt am Nil nimmt kein Ende: Bei Zusammenstößen von Islamisten und Sicherheitskräften sind am Samstag in Kairo zahlreiche Menschen getötet worden. Die Muslimbrüder sprechen von mindestens 120 Opfern. Ägyptens Innenminister wirft den Demonstranten indes vor, die Armee absichtlich provoziert zu haben.

Armee beschließt Haftbefehl gegen Mursi - Ausschreitungen in Kairo
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Nach Angaben der Muslimbruderschaft des gestürzten Präsidenten Mohammed Mursi starben mindestens 120 Menschen, nachdem Einheiten der Bereitschaftspolizei eine Menge von Demonstranten am Rande ihres Protestcamps in der Vorstadt Nasr City angegriffen hatten. Rund 4000 Menschen wurden nach diesen Angaben verletzt.

Das ägyptische Gesundheitsministerium sprach zunächst von 38 Toten und 239 Verletzten. Die Zahl der Toten wurde vom Gesundheitsministerium aber mittlerweile auf mindestens 65 korrigiert. Beim bisher schlimmste Blutbad seit dem Umsturz vor mehr als drei Wochen waren am 8. Juli mehr als 50 Islamisten gestorben, als die Sicherheitskräfte vor einer Kaserne in eine Menge von Demonstranten geschossen hatte.

Innenminister Mohammed Ibrahim führte die jüngste Gewaltorgie auf eine "Provokation" der Muslimbrüder zurück. Deren Dauerkundgebungen würden bald "auf legalem Weg" beendet werden.

Zahl der Opfer unklar

Das Blutbad geschah in der Nasr-Straße, die zum Protestlager der Muslimbruderschaft vor der Raba-al-Adawija-Moschee führt. Tausende Anhänger der islamistischen Organisation lagern dort seit mehr als drei Wochen. Sie protestieren gegen Mursis Absetzung durch das Militär am 3. Juli. Der Islamist war vor etwas mehr als einem Jahr nach freien Wahlen ins höchste Staatsamt gelangt.

Im Feldspital der Muslimbruderschaft spielten sich am Samstagmorgen nach Angaben von Reportern dramatische Szenen ab. Immer wieder wurden Tote und Schwerverletzte gebracht. Mitarbeiter der "New York Times" zählten bis zu Mittag 49 Leichen. Auffallend viele Opfer hätten Schussverletzungen an Kopf und Brust aufgewiesen. Die Ärzte operierten sprichwörtlich im Blut watend und kamen mit der Versorgung der Verwundeten kaum nach. Anhänger der Islamisten trugen nach Aufrufen Medikamente ins Spital und spendeten Blut.

Der Sprecher der Bruderschaft, Gehad al-Haddad, erklärte verbittert: "Sie (die Polizisten) schießen nicht, um zu verwunden, sondern um zu töten." Mohammed al-Beltagi, ein Mitglied der Führung der Organisation, schrieb auf seiner Facebook-Seite: "Wir haben es mit einem Genozid zu tun. Wie lange wollen die Völker der freien Welt diesem Schlachten noch zusehen?"

Unterschiedliche Darstellung der Vorfälle

Der Hergang wurde unterschiedlich dargestellt. Nach Berichten von Teilnehmern zog eine Gruppe aus dem Protestlager los, um die 6.-Oktober-Brücke in der Innenstadt zu blockieren. Unmittelbar nach dem Verlassen des Lagers seien die Demonstranten von Einheiten der Polizei mit scharfer Munition beschossen worden. Innenminister Ibrahim sagte hingegen auf einer Pressekonferenz am Samstag im Kairo: "Es war ein Trick der Muslimbruderschaft, um einen Zwischenfall zu provozieren und Sympathien für sich zu gewinnen."

Nach seinen Angaben wurden 51 Polizisten und Polzeirekruten verletzt, zwei von ihnen schwer. Ibrahim stellte eine baldige Räumung der islamistischen Protestlager - des in Nasr City und eines weiteren vor der Universität Kairo im Stadtteil Giza - in Aussicht. "Die Anwohner leiden darunter, und die Sit-ins blockieren vitale Verkehrswege in Kairo", erklärte er. Die Staatsanwaltschaft prüfe entsprechende Beschwerden von Anwohnern. "Wenn es so weit ist, werden wir uns den beiden Sit-ins zuwenden."

Am Freitag hatten in ganz Ägypten Hunderttausende für und gegen die Entmachtung Mursis demonstriert. Während die Islamisten nahezu täglich gegen den "Militärputsch", wie sie die Absetzung Mursis nennen, demonstrieren, hatte das Militär erstmals seit dem Umsturz die eigenen Unterstützer in Massen auf die Straße gerufen. Armeechef Abdel Fattah al-Sisi wollte sich damit "grünes Licht" geben lassen, um noch schärfer gegen die demonstrierenden Muslimbrüder vorzugehen.

Acht Tote in Alexandria

Die Demonstrationen am Freitag und in der darauffolgenden Nacht verliefen weitgehend friedlich. Lediglich in der Mittelmeerstadt Alexandria wurden acht Menschen getötet, nachdem bewaffnete Zivilisten einen Demonstrationszug der Islamisten angegriffen hatten. Verletzte gab es auch bei Zusammenstößen in einem Kairoer Armenviertel und im Nildelta.

Mursi wird seit dem Umsturz vom Militär an einem unbekannten Ort festgehalten. Seit Freitag ist er formell in Untersuchungshaft und wird des Landesverrats beschuldigt. Darüber hinaus wurden mehrere Mitglieder der Führung der Muslimbruderschaft und rund 600 weitere Funktionäre verhaftet.

Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton rief nach den neuen Zusammenstößen zum Gewaltverzicht auf. "Sie ruft die verantwortlichen Übergangsauthoritäten auf, friedliche und geordnete Demonstrationen sicherzustellen", betonte Ashtons Sprecher in einer am Samstag in Brüssel veröffentlichten Mitteilung.

Der britische Außenminister William Hague verurteilte die Gewaltanwendung gegen Demonstranten in Ägypten verurteilt. Es sei jetzt die Zeit "für Dialog und nicht Konfrontation", sagte Hague in einer am Samstag vom britischen Außenministerium veröffentlichten Erklärung.

(dpa)
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