Die größte Demokratie der Welt wählt 815 Millionen Inder gehen an die Urnen

Neu Delhi · In Indien wird im Zeitraum vom 7. April bis zum 12. Mai ein neues Parlament gewählt. Die Abstimmung sei aus logistischen Gründen auf neun Wahltage verteilt worden, sagte der Chef der Wahlkommission, V.S. Sampath, am Mittwoch in Neu Delhi. Nur so könne die Sicherheit und Organisation an allen 930.000 Wahllokalen gewährleistet werden.

 Narendra Modi liegt in den Umfragen vorn.

Narendra Modi liegt in den Umfragen vorn.

Foto: dpa, rps ase tba

815 Millionen Wähler sind zur Abstimmung aufgerufen - das ist mehr als die gesamte Bevölkerung Europas. Sampath stellte auf der Pressekonferenz auch heraus, dass dieses Mal etwa 100 Millionen Menschen mehr als vor fünf Jahren wählen können. Grund ist die rasant steigende Bevölkerungszahl Indiens. Das Durchschnittsalter liegt bei 27 Jahren, viele Menschen sind nun ins Wahlalter gekommen.

Abgestimmt wird mit Hilfe elektronischer Wahlmaschinen. Erstmals werden die Menschen die Möglichkeit haben, auf den Knopf "NOTA" zu drücken, wenn sie keinen Kandidaten gutheißen. Die Abkürzung steht für "None of the above", oder "Keine/r der oben genannten".

Die Auszählung der Stimmen für die 543 Parlamentssitze findet am 16. Mai statt. Die Amtszeit der derzeitigen Regierung unter Premierminister Manmohan Singh, der nicht wieder antritt, geht Ende Mai zu Ende. Umfragen zufolge hat die derzeit größte Oppositionspartei, die hindu-nationalistische BJP, mit ihrem Spitzenkandidaten Narendra Modi die größten Erfolgschancen.

Modi gilt als Favorit

Wir sind die größte Demokratie der Welt", sagt Narendra Modi mit Stolz in der Stimme. Er hebt seine Hand, als halte er darin ganz Indien mit seinen 1,2 Milliarden Menschen fest. Sein Blick schweift über das Publikum, seine Mimik signalisiert: Ich werde dieses Land schon sehr bald regieren.

Tatsächlich dürften nur wenige Zuhörer auf der Internationalen Konferenz zur indischen Wirtschaft in Neu Delhi daran gezweifelt haben, den zukünftigen Premierminister des Landes vor sich zu sehen. Die derzeit noch regierende Kongresspartei kämpft ganz offensichtlich nicht mehr für den Sieg, sondern nur noch um eine möglichst knappe Niederlage. "Wir müssen eine starke Opposition stellen, sonst gehen wir nach der Wahl im Parlament unter", gibt einer ihrer Wahlkampfstrategen zu, der lieber anonym bleiben will.

Rahul Gandhi, ein Spross der mächtigen Nehru-Gandhi-Familie, wurde von der Kongresspartei gar nicht erst als Spitzenkandidat nominiert, sondern darf nur den Wahlkampf führen. Indische Medien sind sich sicher: Der 42-Jährige soll nicht verbrannt werden. Doch Louise Tillin, Politikwissenschaftlerin am King's Collegen in London, sieht den "Niedergang" des Kongress' gekommen. Die Zeit der großen, alten Partei, welche die Geschicke Indiens die meiste Zeit über lenkte, sei vorbei.

Die Menschen sehnten sich nach einem starken Anführer, meint Tillin. Einem, der die Wirtschaft wieder auf Trab bringt, die Inflation in den Griff bekommt und ausreichend Arbeitsplätze schafft. "Modi ist jener charismatische Anführer, ein Mann mit gewaltiger Energie, der organisatorischen Fähigkeiten besitzt und ein toller Verwalter ist", sagt Nilanjan Mukhopadhyay, der eine Biografie über Modi geschrieben hat.

Doch habe Modis Politik auch eine dunkle Seite. Der 63-Jährige regiere "ausgesprochen totalitär" als Ministerpräsident im westindischen Bundesstaat Gujarat. Mukhopadhyay glaubt, dass sich Indien mit Modi und seiner hindu-nationalistischen an der Spitze zu einer Gesellschaft wandeln wird, in der die Regeln des Hinduismus gelten. "Modi glaubt definitiv daran, dass die Minderheiten nach den Regeln leben müssen, die die Mehrheit aufstellt."

Im Jahr 2002, während Modi bereits in Gujarat regierte, brachen gewalttätige Unruhen zwischen Hindus und Muslimen in dem Bundesland aus. Es kam zu einem Massaker, bei dem mehr als 1000 Menschen mit Macheten zerhackt und zu Tode geprügelt wurden. Frauen wurden vergewaltigt und Kinder verbrannt. Die Sicherheitskräfte griffen tagelang nicht ein. Modi wurde nie vor Gericht angeklagt. Auch entschuldigt hat er sich nie.

Auf seinen Wahlkampfveranstaltungen hütet sich Modi derzeit, Muslime oder andere religiöse Minderheiten direkt anzugreifen. Doch als er am Wochenende bei einer Massenkundgebung in Lucknow auf seine Anhängerschar blickte, die vor allem in Orange gekleidet war, der Farbe der Hinduisten, sagte er, die orangene Welle werde sich in einen Tsunami verwandeln. "Jeder wird zerstört werden."

(dpa)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort