Konservative Regierung abgestraft In Litauen bahnt sich ein Richtungswechsel an

Vilnius · Bei den Parlamentswahlen in Litauen haben die Wähler die wegen ihrer massiven Sparpolitik in die Kritik geratene konservative Regierung abgestraft. Laut ersten Hochrechnungen liegt die Arbeiterpartei deutlich vorn.

 Uspaskich feiert den Wahlsieg seiner Arbeiterpartei.

Uspaskich feiert den Wahlsieg seiner Arbeiterpartei.

Wie die nationale Wahlkommission in der Nacht zu Montag auf der Grundlage von Teilergebnissen mitteilte, kam die Arbeiterpartei auf 22,67 Prozent der Stimmen; die Sozialdemokraten kamen auf 19,58 Prozent. Die Partei von Ministerpräsident Andrius Kubilius stand demnach bei 12,82 Prozent.

Die Ergebnisse stützten sich auf die Auszählung der Stimmzettel in mehr als der Hälfte der 2017 Wahlbezirke. Demnach erzielte die populistische Partei Ordnung und Gerechtigkeit 9,07 Prozent der Stimmen. Die Partei gilt als möglicher Koalitionspartner des Linksbündnisses aus Arbeiterpartei und Sozialdemokraten.

Die Liberalen, der bisherige Koalitionspartner der Konservativen, stand bei 6,44 Prozent. Der Chef der Arbeiterpartei, Viktor Uspaskich, kündigte die Einrichtung einer Arbeitsgruppe für die Aufnahme von Koalitionsgesprächen an.

Die Wahlbeteiligung lag bei der Abstimmung am Sonntag bei etwas über 50 Prozent. Die Litauer waren aufgerufen, in einer kombinierten Wahl aus Verhältnis- und Mehrheitswahlrecht mit Direktmandaten und Listen über die Zusammensetzung des 141-köpfigen Parlaments abzustimmen.

Politischer Wechsel deutet sich an

Ein zweiter Wahlgang soll am 28. Oktober stattfinden. "Die Gespräche zur Koalitionsbildung dürften jetzt beginnen, aber sie werden erst nach der zweiten Runde abgeschlossen sein", sagte der Analyst Kestutis Girnius von der Universität Vilnius.

Uspaskich verwies ebenfalls auf die wahrscheinlichste Lösung einer Koalition aus Arbeiterpartei, Sozialdemokraten und der Partei Ordnung und Gerechtigkeit. Über die Posten von Regierungschef und Ministern werde aber erst nach der zweiten Wahlrunde verhandelt, erklärte er. Der Anführer der Sozialdemokraten, Algirdas Butkevicius, erklärte, der Vorschlag für den Posten des Ministerpräsidenten hänge von den Endergebnissen und dem Erfolg der Koalitionsgespräche ab.

Schon vor der Wahl hatten Umfragen auf einen politischen Wechsel hingedeutet. Kubilius hatte sich zuletzt durch einen drastischen Sparkurs unbeliebt gemacht. Das Linksbündnis will hingegen nach eigenen Aussagen den Mindestlohn anheben und eine progressive Einkommensteuer einführen. Damit sprachen sie viele Wähler an, die vom Sparprogramm der Regierung enttäuscht sind. Als die Wirtschaft des Landes 2009 um fast 15 Prozent eingebrochen war, hatte Kubilius einen Sparkurs angeordnet, der die Programme westlicher EU-Mitglieder weit übertraf.

In einem nicht bindenden Referendum stimmten die Litauer am Sonntag zudem gegen den Bau eines neuen Atomkraftwerks. Laut von der Wahlkommission veröffentlichten Teilergebnissen lehnten 61,57 Prozent der Wähler die Baupläne in Visaginas ab, 34,76 Prozent waren dafür. Die Abstimmung ist aber nicht bindend für die Regierung; sie hat beratenden Charakter.

(AFP)
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