Mursi-Anhänger demonstrieren In Kairo schlägt die Stunde der Islamisten

Kairo · Ägypten steht am Rande zum Chaos: Zehntausende Anhänger von Präsident Mursi haben in Kairo für ihren Präsidenten und das islamische Recht demonstriert. Die Opposition kündigte weitere Gegenproteste an. Die Bundesregierung forderte von Ägyptens Staatsführung demokratische Reformen.

Zehntausende protestieren gegen Präsident Mursi
5 Bilder

Zehntausende protestieren gegen Präsident Mursi

5 Bilder

Mit ihrer Großkundgebung reagierten Ägyptens Islamisten auf Demonstrationen der Opposition gegen Präsident Mohammed Mursi an den vergangenen Tagen. Zehntausende Menschen folgten dem Aufruf der Muslimbruderschaft und gingen am Samstag in Kairo auf die Straßen, um ihre Unterstützung für Mursi und das islamische Recht zu zeigen.

Am Vortag hatten rund 200.000 Menschen ihrem Unmut über Mursis Politik Luft gemacht. Die Bundesregierung und die Europäische Union erhöhten ihrerseits den Druck auf die ägyptische Regierung und forderten demokratische Reformen.

"Die Menschen unterstützen die Entscheidung des Präsidenten", riefen Demonstranten vor der Kairoer Universität. Sie bezogen sich damit auf die Dekrete, mit denen sich Mursi vergangene Woche fast unbegrenzte Macht verlieh. Auf den Schildern der Demonstranten stand geschrieben "Ja zur Stabilität" und "Ja zum islamischen Recht". Sie schwenkten ägyptische Flaggen und hielten Fotos von Mursi in die Höhe.

Die Demonstration galt als Test der Stärke für die Islamisten.
Die Bruderschaft wollte die Kundgebungen ursprünglich auf dem Tahrir-Platz in Kairo veranstalten, wo die Proteste gegen Ex-Machthaber Husni Mubarak ihren Anfang genommen hatten. Sie erklärte dann jedoch, sie habe von diesem Vorhaben Abstand genommen, um eine Konfrontation mit Anhängern der Opposition zu verhindern.
Eine weitere Demonstration in Luxor wurde nach Zusammenstößen am Freitag abgesagt.

Schulz und Westerwelle ermahnen Mursi

Mursis jüngste politische Entscheidungen sorgten bei deutschen Politikern für Beunruhigung. Der Präsident des europäischen Parlaments, Martin Schulz (SPD), sagte der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung": "Die Europäische Union muss unmissverständlich klarmachen, dass es ohne plurale Demokratie in Ägypten weder wirtschaftliche noch politische Zusammenarbeit geben kann." Bei der Muslimbruderschaft, der Mursi angehört, handele es sich um eine "radikalpolitische Bewegung" und nicht um eine primär religiöse, sagte Schulz.

Besorgt über die Entwicklung in Ägypten äußerte sich in derselben Zeitung auch Außenminister Guido Westerwelle. Der FDP-Politiker forderte Mursi auf, die Gesellschaft zu einen. "Ich appelliere an den Präsidenten und die Verantwortlichen, einen breiten und inklusiven Prozess zu ermöglichen, in den sich alle gesellschaftlichen Gruppen einbringen können." Es sei problematisch, dass sich wichtige gesellschaftliche Gruppen wie Säkulare und Christen "außen vor" fühlten. Grundlage für eine friedliche Entwicklung in Ägypten könne nur eine "pluralistisch angelegte Verfassung" sein.

Opposition kündigt weitere Proteste an

Am Freitagabend hatten Zehntausende Oppositionelle gegen den im Eiltempo durchgepeitschten Verfassungsentwurf der Verbündeten von Präsident Mursi protestiert. Die Opposition kündigte weitere Proteste an und möglicherweise auch einen Marsch auf den Präsidentenpalast, mit dem verhindert werden soll, dass Mursi ein landesweites Referendum über die neue Verfassung ausrufen kann. Der Entwurf sollte am (heutigen) Samstag an Mursi weitergeleitet werden.

Dieser könnte dann sehr rasch über die Abstimmung entscheiden und sie möglicherweise bereits für Mitte Dezember anberaumen. Das Verfassungsgericht will am (morgigen) Sonntag über eine Auflösung der verfassunggebenden Versammlung entscheiden.

Seitdem sich Mursi vergangene Woche mit einer Reihe von Dekreten fast unbegrenzte Macht verliehen hat, ist es in Ägypten immer wieder zu Straßenschlachten und Protesten gekommen. Die Krise verschärfte sich weiter, als die Islamisten in der Nacht zum Freitag in einer eiligen Sitzung ihren umstrittenen Verfassungsentwurf durchdrückten - ohne Mitsprache der liberalen, säkularen und christlichen Vertreter, die bereits zuvor aus Protest gegen die islamistische Ausrichtung des Dokuments die Versammlung verlassen hatten.

(APD)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort