Terror in Nordafrika In der Wüste blüht Gaddafis Erbe

Die Staaten Nordafrikas haben die Kontrolle über die Wüste längst verloren. Dort erlangt Al Qaida zusehendes mehr Macht. Die Terroristen sind bestens bewaffnet. Nach dem Sturz Gaddafis sind ihnen gewaltige Bestände in die Hände gefallen. Experten warnen seit Jahren.

Krieg in Mali - was kommt auf Deutschland zu?
Infos

Krieg in Mali - was kommt auf Deutschland zu?

Infos
Foto: afp, ROMARIC OLLO HIEN

Die französischen Soldaten tun sich bei ihrem Einsatz in Mail schwer. Der Gegner agiert flexibel mit Geländewagen und zeigt sich gut vorbereitet. Große Erfolge können die europäischen Truppen bislang nicht vermelden.

Das liegt vermutlich auch daran, dass die Al-Qaida-Kämpfer mit modernem Kriegsgerät ausgestattet sind. Schon im vergangenen Sommer warnten Experten der Harvard-Universität vor dem gefährlichen Erbe des libyschen Diktators Muammar el-Gaddafi: In Libyen lagen nach der Revolution ungesichert Granaten, Torpedos und Boden-Luft-Raketen herum.

Waffen frei verfügbar

Die Experten warnten davor, dass diese Bestände schnell in die falschen Hände geraten könnten. Die Waffen würden in Lagern von Milizen, in Museen, auf Feldern und sogar in Privatwohnungen aufbewahrt, hieß es.Doch weder die neue libysche Staatsführung noch die kriegsbeteiligten westlichen Staaten sahen sich in der Lage, die absehbare Weiterverbreitung zu verhindern.

Knapp anderthalb Jahre nach Gaddafis gewaltsamen Ende haben sich die Waffen über den gesamten Norden Afrikas verbreitet. Sogar im Nahen Osten sollen Exemplare aus dem Bestand Gaddafis gesichtet worden sein. Rückkaufaktionen der US-Regierung sind bisher ohne nennenswerten Erfolg geblieben.

Stattdessen operieren nun im Wüstengebiet zwischen Libyen, Algerien, Tunesien und Mali verschiedenste Kämpfergruppierungen mit modernstem Gerät. Nachdem der arabische Frühling Islamistenfeinde Die Rebellen sollen unter anderem über tragbare Flugabwehrraketen, Panzerabwehrgeschosse und Gewehre verfügen. Auch moderne Kommunikationssystem sollen ihnen in die Hände gefallen sein.

Einer ganzen Region droht das Chaos

Viele der Tuareg-Kämpfer standen im Dienst des libyschen Diktators. Nach dessen Sturz plünderten sie dessen Arsenale und kehrten in ihre Heimat zurück und starteten einen Feldzug im Namen des Dschihad. Im vergangenen Herbst präparierten sie ihr Gebiet Medienberichten zufolge mit Minenfeldern gegen mögliche Vorstöße westlicher Truppen.

Die Minen stammten aus libyschen Waffenlagern und seien nach dem Sturz Gaddafis von Tuareg-Rebellen und dem nordafrikanischen Ableger des Terrornetzwerks Al Qaida im Maghreb (Aqmi) gestohlen worden. Über beide Gruppen seien die Waffen in den letzten Monaten auch in die Hände von Ansar Dine in Mali gelangt, ebenso wie Kalaschnikows, Panzer- und Fliegerfäuste sowie Granaten.

Eine ganze Region droht somit ins Chaos zu stürzen. Das Geiseldrama im Gasfeld von Amenas zeigt, dass selbst relativ stabile Länder wie Algerien nicht verhindern können, dass der Krieg ihr Staatsgebiet erreicht. Bei der Erstürmung der von Islamisten besetzten Industrieoase In Amenas haben algerische Truppen am Freitag nach offiziellen Angaben 650 Geiseln befreit. Die Armee konnte angeblich auch rund 100 Ausländer retten.

Die Lage ist aber nach wie vor unübersichtlich: Über den Verbleib von 20 bis 30 weiteren Ausländern liegen bislang keine Informationen vor. Sieben bis zehn Geiseln befinden sich noch immer in den Produktionsanlagen auf dem Gasfeld Ain Amenas, wie der Sender Radio France Internationale unter Berufung auf Sicherheitskreise berichtete.

Seit Beginn des Befreiungsversuchs der Streitkräfte am Donnerstag seien zwölf Menschen in der Gewalt der islamistischen Entführer getötet worden, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur APS am Freitag unter Berufung auf Sicherheitskreise. Darunter seien sowohl algerische Arbeiter als auch Ausländer. Zudem seien bei den Gefechten auf dem Erdgasfeld 18 Entführer ums Leben gekommen.

Polenz warnt vor einem neuen Somalia

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Ruprecht Polenz, warnt bereits vor einer neuen Brutstätte für Terroristen in Norden Malis. "Die Geiselnahme macht deutlich, dass die Befürchtung, dort könnte ein zweites Somalia entstehen, mehr als berechtigt sind", sagte der CDU-Politiker am Freitag im Deutschlandfunk. Somalia, eines der ärmsten Länder der Erde, hat sich zu einem Nährboden für Piraterie und zum Rekrutierungsfeld für Terroristen entwickelt.

"Die Geiselnehmer und ihre Bündnisgenossen wollen sich in Nordmali einen sicheren Zufluchtsort verschaffen, von dem aus sie dann alles das planen können, was wir jetzt gerade in Algerien gesehen haben", sagte Polenz.

Der französische Einsatz in Mali sei aber nicht der Auslöser für die Geiselnahme in Algerien gewesen, bei der sich ein Terrorkommando mit Dutzenden von ausländischen Geiseln auf einem Gasfeld im Osten des Landes verschanzt hatte. Er zeige stattdessen, dass das Einschreiten Frankreichs richtig gewesen sei.

Ob zwei deutsche Transportflugzeuge als Unterstützung der Mission in Mali ausreichten, müsse die weitere Lageentwicklung zeigen, sagte Polenz. Möglicherweise müsste der Bundestag in den kommenden Wochen über weitere Maßnahmen entscheiden. "Allein aufs Militär zu setzen, wird eine Lösung nicht herbeiführen." Zu lange gezögert hätten Deutschland und Europa bei dem Einsatz aber nicht. Schließlich sei es "keine Kleinigkeit", alle 27 EU-Mitgliedstaaten auf ein gemeinsames Vorgehen zu verpflichten wie in der beschlossenen gemeinsamen Trainingsmission.

(pst)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort