Tabulos und geschmacklos Auch Blogger haben im US-Kongresswahlkampf das Sagen

Washington · Der Kongresswahlkampf in den USA wird nicht nur auf der Straße und an den Haustüren der Wähler gewonnen. Blogger und Kolumnisten beider Lager steuern die Meinung kräftig mit.

Die Werbung für die neue Website des Politik-Portals "Breitbart News" sieht so aus: Der Kopf von Nancy Pelosi, mächtigste Politikerin der USA und Anführerin der Demokraten im Abgeordnetenhaus, wird per Fotoshop auf den fast nackten Körper von Pop-Star Miley Cyrus montiert. Pelosi schüttelt sich lasziv. Hinter ihr steht Kaliforniens demokratischer Gouverneur Jerry Brown — fotomontiert als Bodybuilder — und zeigt mit nacktem Oberkörper pralle Muskeln.

"Tabulosen Journalismus" betreibt die 2005 vom Konservativen Andrew Breitbart gegründete Website laut eigener Beschreibung. Dass sie dabei scharf mit Vertretern ihrer Gegner ins Gericht geht, versteht sich von selbst. Pelosi bezeichnete die Montage als "geschmacklos".
Doch sie und ihre demokratischen Parteikollegen müssen genau wie die Republikaner damit rechnen, dass der Ton - und die Bilder — bis zu den Kongresswahlen am 4. November im Netz noch schärfer werden.

Meinung und Nachricht oft vermischt

"Breitbart News" zählt laut Daten des Analysedienstes Alexa zu den zehn wichtigsten politischen Websites in den USA. Viele davon werden dem konservativen Lager zugeschrieben. Angeführt wird das Ranking allerdings von Arianna Huffington, die das "Forbes"-Magazin 2009 zueiner der einflussreichsten "liberalen" Kolumnistin krönte. "Liberals" sind nicht mit Wirtschaftsliberalen in Deutschland gleichzusetzen, sondern am ehesten mit Sozialdemokraten, auch wenn das Spektrum zwischen Rechts und Links in den USA anders gefächert ist.

Huffington verschaffte der Linken mit Hilfe der "Huffington Post" bereits einen kräftigen Schub. Dem Demokraten Barack Obama half sie in seinem ersten Wahlkampf auf seinem dem Weg nach Washington. Die "HuffPo" bedient sich zwar keiner ganz so reißerischen Rhetorik, verzichtet aber wie viele andere Seiten auf eine klare Trennung von Meinung und Nachrichten, um die Fakten in eine bestimmte Richtung zu drehen. Schon die Themenauswahl spielt eine wichtige Rolle. Wikipedia spricht von "Advocacy Journalism", frei übersetzt: Journalismus der Verfechter.

Anders geht da Matt Drudge vor, dessen "Drudge Report" es die Spitze der meistbesuchten Polit-Websites nur knapp verfehlt. Seit er 1998 den Lewinsky-Skandal des ehemaligen Präsidenten Bill Clinton ans Licht brachte, ist Drudge aus dem täglichen Kampf um die politische Deutungshoheit nicht mehr wegzudenken. Die "Los Angeles Times" bezeichnete Drudge als "konservativen Krieger", die "New York Times" nannte ihn einen "Schmutzaufwirbler".

Vom Bloggen ins Fernsehen

Zwar verlinkt Drudge heute vor allem auf anderen Nachrichtenseiten, anstatt selbst in die Tasten zu greifen. Doch selbst als sogenannter "News Aggregator" schafft es seine Seite, gewisse Themen groß zu platzieren und andere ganz unter den Tisch fallen zu lassen. Das linksgerichtete Magazin "New Republic" warf dem Klima-Skeptiker Drudge etwa vor, besonders häufig auf Meldungen zu ungewöhnlich kaltem Wetter zu verlinken, zusammen mit Berichten über Zweifel am Klimawandel. Es sei, als würde man Bilder von Popcorn und Limonade während eines Kinofilms aufblitzen lassen, hieß es.

Radiomoderater Alex Jones hat den Wettlauf um die richtig platzierten Informationen und Meinungen gleich als Namensgeber für seine Website genutzt. "Infowars.com" (Info-Kriege) nutzt er etwa, um sich für einen laxeren Umgang mit Waffen stark zu machen. Zu diesem Zweck verbreitete er auch eine Online-Petition, die forderte, CNN-Moderator Piers Morgan wegen seines Einsatzes für strengere Waffengesetze zu "deportieren" — und wurde daraufhin in Morgans Sendung eingeladen.

Die Folge: Jones schrie den Moderator minutenlang an. "Ich bin hier, um Ihnen zu sagen: 1776 (Jahr der amerikanischen Unabhängigkeit) wird wieder beginnen, wenn Sie versuchen, unsere Waffen wegzunehmen! Es ist egal, wie viele Lemminge Sie auf die Straße bringen und sie danach betteln lassen, dass man ihre Waffen wegnimmt! Wir werden sie nicht aufgeben!"

Für seine linken Gegner von der "Huffington Post" war nach dem viel beachteten Interview zumindest eine Sache klar: Jones sei ein entsetzlicher Fürsprecher für ein freizügiges Waffenrecht. Es dürfte nicht sein letzter Streich gewesen sein.

(dpa)
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