Streit um Afghanistan-Mandat "Im Krieg gegen fanatischen Gegner"

Berlin (RPO). Was macht die Bundeswehr in Afghanistan? Sind die Soldaten Aufbauhelfer in Uniform, wie die Bundesregierung es bezeichnet? Nach dem Bundeswehrverband sehen jetzt auch Politiker mehrerer Parteien die Bundeswehr am Hindukusch im Kriegseinsatz.

Minister besucht Soldaten vor dem Afghanistan-Einsatz
7 Bilder

Minister besucht Soldaten vor dem Afghanistan-Einsatz

7 Bilder

"Wir befinden uns in Afghanistan im Kriegszustand", sagte SPD-Verteidigungsexperte Jörn Thiessen der "Financial Times Deutschland". Auch wenn Deutschland in dem Land keine kriegsführende Partei sei, habe man trotzdem Kriegsopfer zu beklagen, sagte er.

Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) hat bei seinem Besuch in Kabul Forderungen nach einem Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan ein Absage erteilt. "Ich halte das für völlig kontraproduktiv", sagte Jung am Mittwoch. Damit würden diejenigen, die Anschläge auf die Bundeswehr verübten, ihr Ziel erreichen. Ein Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums bestätigte Medienberichte, nach denen Deutschland den Hinterbliebenen der durch Bundeswehrsoldaten in Afghanistan getöteten Zivilisten eine Entschädigung zahlt.

Die FDP-Verteidigungspolitikerin Birgit Homburger sieht die Bundeswehr am Hindukusch im Kampfeinsatz. Die Darstellung, dass es sich bei den deutschen Soldaten um Aufbauhelfer in Uniform handele, sei eine Katastrophe für die Akzeptanz des Einsatzes in der Bevölkerung, argumentierte sie.

Unions-Abgeordneter Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) sagte, man solle "den Einsatz durchaus als das beschreiben, was er ist: nämlich ein Kampfeinsatz, der auch die Bekämpfung von Aufständischen beinhaltet." Er warnte aber vor "undifferenzierter Brachialwortwahl".

"Fanatischer Gegner"

Zuvor hatte der Bundeswehrverband von einem "Krieg gegen einen zu allem entschlossenen fanatischen Gegner" gesprochen. Die Bundesregierung wies die Darstellung des Afghanistan-Einsatzes als Krieg zurück.

Auch der sicherheitspolitische Sprecher der Grünen, Winfried Nachtwei, sieht noch keinen Kriegseinsatz. Im Bayerischen Rundfunk sagte er, Auftrag der Bundeswehr sei es weiterhin, eine "Art Puffermacht" zwischen den verschiedensten Gewaltakteuren zu sein. Zugleich sichere die Bundeswehr aber auch den staatlichen Wiederaufbau.

Laut "Tagesspiegel" verübten die Taliban und andere Kämpfer allein in diesem Jahr bis August 5300 Attacken. Damit sei ein weiterer Höchsttand bei "sicherheitsrelevanten Zwischenfällen" zu erwarten, berichtet die Zeitung unter Berufung auf Sicherheitskreisen. 2007 gab es insgesamt 6000 Angriffe.

Der ehemalige Bundeswehr-Generalinspekteur Harald Kujat rechnet mit wachsenden Gefahren für deutsche Soldaten in Nordafghanistan. Die Taliban seien unter dem Druck der Kämpfe im Süden auch auf die Nordprovinzen ausgewichen und würden dort mit Selbstmordattentaten und Sprengfallen gezielt gegen die ISAF-Truppen vorgehen, sagte Kujat dem Bonner "General-Anzeiger" (Donnerstagausgabe).

Diese Entwicklung sei "durchaus vorhersehbar" gewesen, sagte Kujat. Er kritisierte in diesem Zusammenhang die Bundesregierung, die es versäumt habe, "klarzumachen, dass der Afghanistan-Einsatz auch die Sicherheit und das Leben unserer Soldaten gefährdet - und zwar in zunehmendem Maße. Ich bin überzeugt, dass die Risiken, denen die Bundeswehr in Afghanistan ausgesetzt ist, noch zunehmen werden."

(afp)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aufschlag in Kabul
Bundesregierung spricht erstmals direkt mit Taliban Aufschlag in Kabul
Aus dem Ressort