Was Ärzte aus dem Bürgerkriegsland Syrien berichten "Ich habe aufgehört, die Amputationen zu zählen"

Damaskus · Er wollte helfen und starb in syrischer Haft – der britische Arzt Abbas Khan. Sein Fall macht einmal mehr deutlich, dass auch Mediziner in dem Bürgerkriegsland enormen Gefahren ausgesetzt sind. Und tagtäglich sehen sie immenses Leid. "Ich habe aufgehört, die Amputationen zu zählen", sagt etwa ein Arzt in einem Interview.

 Diese Kinder wurden beim Angriff vor einer Moschee verletzt.

Diese Kinder wurden beim Angriff vor einer Moschee verletzt.

Foto: dpa, Sana, Handout

Er wollte helfen und starb in syrischer Haft — der britische Arzt Abbas Khan. Sein Fall macht einmal mehr deutlich, dass auch Mediziner in dem Bürgerkriegsland enormen Gefahren ausgesetzt sind. Und tagtäglich sehen sie immenses Leid. "Ich habe aufgehört, die Amputationen zu zählen", sagt etwa ein Arzt in einem Interview.

Die Leiche von Abbas Khan ist inzwischen seiner Familie übergeben worden. An der offiziellen Todesursache der syrischen Behörden aber gibt es Zweifel. Sie erklärten, der 32-Jährige habe sich in seiner Zelle erhängt, die oppositionsnahe Syrische Beobachtungsstelle für Menschrenrechte ist sich dagegen sicher, dass der Mann an den Folgen von Folter gestorben ist. Dabei wollte auch Khan nur eines: helfen.

Wie viele seiner Kollegen engagierte auch er sich ehrenamtlich und kümmerte sich um Verletzte, bis er im November vergangenen Jahres festgenommen wurde. Andere Ärzte erleben immer wieder Angriffe auf Kliniken — sei es vonseiten des Regimes, sei es vonseiten der Rebellen — oder müssen aus Syrien fliehen. So wie Adnan Ismail.

"Die Menschen sterben auf dem Fußboden"

Der 29-Jährige, so schreibt das "Wall Street Journal", musste in die Türkei fliehen, weil seine Tarnung aufflog. Er habe tagsüber in einem staatlichen Krankenhaus als Gynäkologe gearbeitet, nachts habe er unter Pseudonym Rebellen und Zivilisten versorgt. Mit Freunden hatte er eine provisorische Klinik auf einem Acker aus dem Boden gestampft, schreibt das Magazin. In einer Art unterirdischem Bunker wurde dann operiert.

Neben der Sorge um die eigene Sicherheit sind es aber auch die schrecklichen Dinge, die die Ärzte tagein, tagaus zu sehen bekommen. So erzählt der Arzt Dr. Ammar Zakaria dem TV-Sender CNN per Skype von den Opfern "eines großen Massakers". "Wir haben Wunden von Granatsplittern, tiefe Bauchwunden und Kopfverletzungen behandelt", berichtet er aus Aleppo. "Ich habe aufgehört, die Amputationen zu zählen", fügt er noch hinzu.

Viele Opfer, so berichtet der Arzt CNN, würden schon sterben, bevor sie die Klinik überhaupt erreichten. "Wir haben nicht die Ressourcen, um allen helfen zu können", sagt er. "Wir haben nicht genug Betten, um allen zu helfen. Die Menschen sterben auf dem Fußboden." Die Ärzte selbst, so der Mann weiter, lebten in Zeiten des Bürgerkrieges in den Kliniken, denn sie müssten alle Zeit bereit sein.

"Assistenzärzte arbeiten wie fertig ausgebildete Operateure"

Das heißt dann oft auch, stundenlang zu operieren, ohne Pause. Von solchen Beobachtungen berichtet auch der amerikanische Arzt Samer Attar dem "Wall Street Journal". Der Mann mit syrischen Wurzeln wollte helfen — wie sein in syrischer Haft gestorbener Kollege. Er landete in einer Klinik in Aleppo, und zwar in einem Teil der Stadt, der von den Rebellen besetzt ist.

Er berichtet dem Magazin, dass sich syrische Assistenzärzte die Unfallchirurgie im Grunde selbst beigebracht hätten. "Sie arbeiten wie fertig ausgebildete Operateure, den ganzen Tag lang", so Attar. Auch er erinnert sich an schreckliche Bilder von Verletzten. "Menschen, denen Gliedmaßen fehlten. Gesichter, die mit Granatsplittern übersät waren. Und auch Leute, die ihre Eingeweide in den Händen hielten."

Und es werden wohl noch mehr werden, denn ein Ende des Blutvergießens in Syrien ist bei Weitem nicht in Sicht. Nach Angaben der Vereinten Nationen wurden in den vergangenen zweieinhalb Jahren bereits mehr als 100.000 Menschen in dem Bürgerkrieg getötet.

(das)
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