Ehemaliger nordirischer Ministerpräsident Ian Paisley ist tot
London/Belfast · Über Jahrzehnte bekämpfte der radikale Protestant Ian Paisley jeden Kompromiss mit den Katholiken Nordirlands - und bildete auf seine alten Tage eine Regierung mit ihnen. Jetzt ist der Politiker und Geistliche im Alter von 88 Jahren gestorben. Selbst die IRA trauert.
Der nordirische Pfarrer und Politiker Ian Paisley ist im Alter von 88 Jahren gestorben. Die Familie sei untröstlich, teilte seine Frau Eileen am Freitag mit. Der protestantische Hitzkopf mit dem Spitznamen "Dr. No" galt als Scharfmacher, der während des Nordirlandkonflikts zwischen irischen Katholiken und probritischen Protestanten immer wieder Öl ins Feuer goss. Mit über 80 Jahren verblüffte er Freund und Feind durch die Bildung einer Allparteienregierung, die dem Friedensprozess zum Durchbruch verhalf.
Selbst die einst heftigsten Kritiker würdigten Paisley. "Wir haben eine enge Arbeitsbeziehung entwickelt, aus der eine Freundschaft erwuchs", bekannte der frühere Kommandeur der Irisch Republikanischen Armee, Martin McGuinness, der für die Sinn-Fein-Partei im Kabinett saß. Er sei Paisley auch nach dessen Ausscheiden aus dem Amt als nordirischer Regierungschef verbunden geblieben.
Wer sich an Paisleys frühere Schimpfkanonaden gegen den "irischen Abschaum" erinnert, kann diese Worte heute noch kaum glauben. Vier Jahrzehnte hatte Paisley die Bevölkerung Nordirlands polarisiert wie kein zweiter - um dann zur Verblüffung aller den Kompromiss mit Leben zu erfüllen, den er sein Leben lang mit religiöser Inbrunst bekämpft hatte.
Kompromisslos war der 1926 geborene Theologe Paisley schon als junger Mann. In den 50er Jahren gründete er eine eigene Kirche und in den 70er eine eigene Partei, die DUP. In beiden war der 1,90-Meter-Hüne der Chef und brüllte jeden Widerspruch nieder. Der Papst war für ihn der Antichrist, Zugeständnisse an die irische Minderheit in Nordirland Verrat. Den Märschen katholischer Bürgerrechtler in den 60er Jahren begegnete er mit Straßenblockaden.
Viele Katholiken betrachteten Paisley als ihren Lieblingsfeind. Seine Ausfälle und seine gewalttätige Sprache brachten ihnen bei neutralen Beobachtern viele Sympathien ein - etwa als er 1988 in der Pose des unbeugsamen Bekenners die Rede des Papstes im Europaparlament störte. Die IRA, die reihenweise protestantische Politiker ermordete, versuchte nie, an Paisley heranzukommen. Seine Reden gegen die Iren trieben ihr immer neuen Nachwuchs zu.
Doch auch viele Protestanten verzogen schmerzhaft das Gesicht, wenn Paisley die Stimme erhob. Als die Ulster Unionist Party 1973 ein Friedensabkommen mit den moderaten Katholiken schloss, brachte Paisley aus Protest das öffentliche Leben in Nordirland zum Stillstand. Die gemeinsame Regierung der Gemäßigten brach zusammen.
1997 verkündete die IRA einen Waffenstillstand. Doch Paisley verweigerte sich den Gesprächen, die ein Jahr später zum Karfreitags-Friedensabkommen führten. Er bestand darauf, dass die IRA ihre Waffen niederlegte. Als das nicht geschah, weckte er bei seinen protestantischen Landsleuten so erfolgreich Zweifel am Friedenswillen der IRA, dass seine DUP bei den Wahlen 2003 stärkste Kraft wurde.
Nachdem die IRA entwaffnet worden war, bildete Paisley Seite an Seite mit einem ehemaligen IRA-Kommandeur und Sinn-Fein-Präsidenten Gerry Adams eine Einheitsregierung - wie es das Karfreitagsabkommen vorgesehen hatte.
Seinem Ruf blieb Paisley auch nach der Regierungsbildung treu: Er verweigerte seinem Stellvertreter McGuinness den Handschlag. Der bedrängte den alten Mann nicht weiter und sagte, er habe Verständnis für diese Haltung. 2008 zog sich Paisley als Regierungschef zurück.