Im Kampf um Isjum Human Rights Watch wirft Ukraine Einsatz verbotener Landminen vor
Paris · Die Ukraine ist Unterzeichnerstaat des Ottawa-Abkommens von 1997, das den Einsatz von Antipersonenminen verbietet. In Isjum sollen aber genau diese zum Einsatz gekommen sein. Was Human Rights Watch beobachtet hat und welche Vorwürfe die Organisation gegen die Ukraine erhebt.
Die Nichtregierungsorganisation Human Rights Watch (HRW) wirft der Ukraine im Kampf gegen den russischen Angriffskrieg den Einsatz verbotener Landminen vor. Kiew müsse den „mutmaßlichen Einsatz Tausender Antipersonenminen durch die eigene Armee“ in und um die im September nach russischer Besatzung zurückeroberte Stadt Isjum untersuchen, erklärte HRW am Dienstag. Die ukrainische Regierung machte die russische Invasion für das „Problem“ mit Minen verantwortlich, die UNO sprach sich für eine Untersuchung aus.
HRW erklärte, durch den Einsatz sogenannter Schmetterlingsminen seien in der Region um Isjum mindestens 50 Zivilisten, darunter fünf Kinder, verletzt worden. Russland habe seinerseits „wiederholt Antipersonenminen eingesetzt“ und in der gesamten Ukraine „Gräueltaten begangen“, sagte der HRW-Waffenexperte Steven Goose. Dies rechtfertige aber nicht den Einsatz „verbotener Waffen“ durch die Ukraine.
HRW befragte bei einer Untersuchung in der Region Isjum zwischen dem 19. September und 9. Oktober 2022 eigenen Angaben zufolge mehr als 100 Augenzeugen und identifizierte elf Minen-Opfer. Aus Gesprächen von HRW mit Angestellten im Gesundheitsbereich gehe allerdings hervor, dass etwa 50 Zivilisten während oder nach der russischen Besatzung durch Minen verletzt worden und der Hälfte von ihnen daraufhin Gliedmaßen amputiert worden seien.
In Isjum habe HRW den Abwurf zahlreicher Schmetterlingsminen vom Typ PFM-1S aus sowjetischer Fabrikation dokumentiert. Die Geschosse seien nach Raketenbeschuss eingesetzt und an Orten gefunden worden, an denen sich zuvor russische Stellung befunden hätten. Demzufolge seien diese Stellungen vermutlich deren Ziel gewesen, hieß es von HRW.
Schmetterlingsminen sind grün oder braun gefärbte kleine Geschosse, die jeweils mit 37 Gramm Sprengstoff gefüllt sind. Sie sind üblicherweise mit einem Selbstzerstörungssystem ausgestattet, das 40 Stunden nach ihrer Verwendung ausgelöst wird. Dieser Mechanismus funktioniert nach Angaben von HRW allerdings oft nicht.
Der Menschenrechtsbeauftragte des ukrainischen Parlaments, Dmytro Lubinets, erklärte nach der Veröffentlichung des HRW-Berichts im Online-Dienst Telegram, sein Land halte seine „internationalen Verpflichtungen“ ein. Die Ukraine sei „stets bereit gewesen, Untersuchungen zu akzeptieren“.
Lubinets ergänzte, das „Problem“ der Antipersonenminen existiere in der Ukraine, weil das Land bereits seit Beginn der Kampfhandlungen durch pro-russische Separatisten in der Ostukraine im Jahr 2014 „einem Feind gegenübersteht,der über eine Vielzahl von Waffen verfügt und sein gesamtes Arsenal gegen unser Volk einsetzt“.
UN-Generalsekretär António Guterres ließ über einen Sprecher erklären, er ermutige zu einer Untersuchung über den möglichen Einsatz von „Waffen, die so viele Opfer fordern“.
Die Ukraine ist Unterzeichnerstaat des Ottawa-Abkommens von 1997, das den Einsatz von Antipersonenminen verbietet, 2005 ratifizierte Kiew es. Russland hat das Abkommen nicht unterzeichnet, die USA und China zählen ebenfalls nicht zu den 164 Vertragsstaaten.