Ukraine-Krieg Hohe Hürden für längere AKW-Laufzeiten

Düsseldorf · Die USA erwägen einen Stopp russischer Energie-Importe. Bayern fordert längere Laufzeiten für Atomkraftwerke. Die Konzerne sind zurückhaltend, denn zentraler Uran-Lieferant ist ausgerechnet Russland. Shell schränkt wegen der angespannten Marktlage den Verkauf von Heizöl und Diesel an Großkunden ein.

 Öl-Tanks von Transneft in Russland: Die USA wollen Energie-Importe stoppen.

Öl-Tanks von Transneft in Russland: Die USA wollen Energie-Importe stoppen.

Foto: dpa/Igor Grussak

Um weiteren Druck auf Russland wegen dessen Angriffs auf die Ukraine auszuüben, prüfen die USA nun, von sich aus Energie-Importe aus Russland zu stoppen. So bereitet das US-Repräsentantenhaus eine Gesetzesinitiative vor, die die Einfuhr von russischem Öl und anderen Energieprodukten in die USA verbietet. Die Bundesregierung stemmt sich noch gegen einen solchen Schritt. Man arbeite zwar mit Hochdruck daran, Alternativen zur russischen Versorgung zu entwickeln, erklärte Kanzler Olaf Scholz (SPD) am Montag: „Das geht aber nicht von heute auf morgen.“

Bei der Suche nach Alternativen hat sich Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) bereits offen dafür gezeigt, Kohlekraftwerke länger laufen zu lassen. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) forderte längere Laufzeiten für Atomkraftwerke. Eine Verlängerung um drei bis fünf Jahre wäre „in dieser Notsituation ein guter Übergang, um billigen Strom zu produzieren“, sagte Söder im ZDF-„Morgenmagazin“. Die Konzerne, die die drei noch aktiven Meiler Emsland (RWE), Isar (Eon) und Neckarwestheim (EnBW) betreiben, äußerten sich zurückhaltend.

„Am Ende ist es an der Politik, über eine Laufzeit-Verlängerung zu entscheiden. Die genehmigungsrechtlichen und technischen Hürden für eine Verlängerung wären allerdings sehr hoch“, sagte die RWE-Sprecherin. „In dieser Ausnahmesituation sind wir bereit, darüber zu sprechen, unter welchen technischen, organisatorischen und regulatorischen Randbedingungen eine verlängerte Nutzung des Kernkraftwerks Isar 2 möglich wäre, sofern dies seitens der Bundesregierung ausdrücklich gewünscht ist“, erklärte der Eon-Sprecher.

Ein zentrales Problem ist die Beschaffung neuer Brennelemente und neuen Fachpersonals, da die Sozialpläne bereits stehen. „Nach einer ersten Abschätzung gehen wir davon aus, dass frische Brennelemente in gut 1,5 Jahren zur Verfügung stehen könnten“, sagte die Sprecherin von Eons Atomtochter Preussen-Elektra. Zudem müsste man sich dann nach neuen Lieferanten umsehen: „In den letzten Betriebsjahren haben wir das für die Brennelemente benötigte Uran aus Kasachstan und Russland sowie in geringen Mengen aus Kanada bezogen.“ Es gebe aber auch andere Lieferanten. Man könnte auch versuchen, mit den vorhandenen Brennelementen über den nächsten Winter zu kommen, wenn man die Anlage mit verminderter Leistung betreibe. „Gleichwohl müsste eine Neubeschaffung frischer Brennelemente zeitnah erfolgen“, so die Sprecherin von PreussenElektra.

Schon am heutigen Dienstag kommen die Energieminister von Bund und Ländern zusammen, um über Alternativen zu russischem Gas zu entscheiden. Viel geringer sind die Hürden, jetzt Kohlekraftwerke länger laufen zu lassen, vor allem solche, die mit heimischer Braunkohle betrieben werden. Aus Russland kommen 55 Prozent des Gas- und 50 Prozent des Steinkohle-Imports. Die EU-Kommission will an diesem Dienstag Vorschläge für eine schnelle Abkopplung von russischen Energielieferungen vorstellen.

Die Gaspreise an den Börsen schnellten am Montag in die Höhe. Der Großhandelspreis für Erdgas erreichte ein Allzeithoch bei 335 Euro je Megawattstunde, so die Agentur Reuters. Eine Woche vor dem russischen Angriff auf die Ukraine hatte der Preis bei 69 Euro gelegen. Der Ölkonzern Shell hat wegen der angespannten Marktlage den Verkauf von Heizöl und Diesel an einige Großkunden in Deutschland vorerst eingeschränkt.

Zugleich wollen Bund und Länder die erneuerbaren Energien schneller ausbauen. Zuletzt hatten sich sowohl NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) als auch Energieminister Andreas Pinkwart (FDP) grundsätzlich dazu bereit erklärt, die umstrittene 1000-Meter-Abstands-Regel von neu gebauten Windrädern zur Wohnbebauung wieder aufzugeben. Pinkwart stellte dies jedoch unter den Vorbehalt, dass dafür die Abstände bundeseinheitlich geregelt werden müssten. Um den Umbau hin zu einer klimaneutralen Gesellschaft und Wirtschaft voranzutreiben, will die Bundesregierung bis 2026 rund 200 Milliarden Euro investieren. Darauf haben sich Habeck und Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) geeinigt.

Scholz wollte am Montag erneut mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj telefonieren. Frankreich stand nach Angaben der Bundesregierung weiter mit beiden Kriegsparteien in Kontakt. Eine allgemeine Waffenruhe schien allerdings in weiter Ferne zu sein – als Bedingung für eine Einstellung der Gefechte forderte Russland erneut, die Ukraine müsse sich in ihrer Verfassung für neutral erklären. Zudem müsse Kiew die 2014 annektierte Schwarzmeer-Halbinsel Krim als russisch sowie die Separatistengebiete im Osten des Landes als unabhängig anerkennen. (mit dpa/rtr)

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