Gipfel-Treffen in Toronto Herbe Dämpfer schon vor dem Beginn

Toronto (RPO/RP). Fast eine Milliarde Euro lässt sich Kanadas Regierung die Mammut-Treffen der G8- und G20-Staaten kosten. Dabei drohen die Ergebnisse erneut mager auszufallen. Kanzlerin Merkel musste ihre Pläne für eine Bankenabgabe bereits im Vorfeld begraben. Entwicklungshelfer kritisieren zudem, dass die Staatschef mit ihren Hilfen für arme Länder deutlich hinter bisherigen Zusagen zurückbleiben.

G-20: Gruppenbild mit Dame
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Deutschland ist auf dem G-8-Gipfel in Kanada mit der Forderung nach einer Bankenabgabe und einer Finanztransaktionssteuer abgeblitzt. Nach der ersten Arbeitssitzung der Staats- und Regierungschefs am Freitag räumte Merkel ein: "Ich muss sagen, dass die Bereitschaft, hier etwas zu machen, nicht vorhanden war."

Merkel kann damit ihr im Bundestag angekündigtes Vorhaben, die Banken an den Kosten der Krise zu beteiligen, vorerst nicht umsetzen. Denn Experten sind sich einig, dass ein deutscher Alleingang in dieser Frage kaum positive Effekte nach sich ziehen würde.

Beigelegt wurde nach Merkels Darstellung indes der Streit zwischen den USA und Deutschland über die beste Wachstumsstrategie für die Weltwirtschaft. "Die Vereinigten Staaten von Amerika haben hier keinen Gegensatz aufgebaut", erklärte Merkel. "Die Diskussion war nicht kontrovers, sondern von gegenseitigem, großen Verständnis geprägt." Die US-Regierung hatte mehrmals öffentlich gerügt, Deutschland und die EU drosselten ihre Staatsausgaben zu drastisch und gefährdeten so die globale Konjunkturerholung.

Fünf Milliarden gegen Müttersterblichkeit

Bereits gestern beschlossen die G-8-Staaten, die Kinder- und Müttersterblichkeit in Entwicklungsländern stärker als bisher zu bekämpfen. Die Industrienationen stellten dafür fünf Milliarden US-Dollar zur Verfügung; andere Länder und Stiftungen sagten weitere 2,3 Milliarden Dollar zu, wie Kanadas Premier Stephen Harper am Freitag mitteilte. Die Initiative stieß allerdings auch auf Kritik.

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon forderte mehr Einsatz für die Entwicklungsländer. "Wir brauchen in dieser Zeit viel, viel mehr", sagte er dem kanadischen Sender CBC. Ban mahnte zudem die Industrienationen, ihre bisherigen Zusagen einzuhalten. Die G-8-Staaten hatten auf ihrem Treffen in Schottland vor fünf Jahren ihre Entwicklungshilfe bis 2010 um 50 Milliarden Dollar aufzustocken. Diese Vorgabe wurde bisher um 20 Milliarden Dollar verfehlt.

Hilfen fallen viel zu gering aus

Der Vertreter der unabhängigen Hilfs- und Entwicklungsorganisation Oxfam, Mark Fried, warf den Industrienationen vor, mit der Muskoka-Initiative ihre Versprechen "auf die lange Bank zu schieben". Auch die Hilfsorganisation One bemängelte die Zusagen als zu gering. Der Gipfelgastgeber wolle in den nächsten fünf Jahren genauso viel Geld für den Kampf gegen Kinder- und Müttersterblichkeit ausgeben wie für die Sicherheitsvorkehrungen während der Gipfeltreffen der G-8 und der G-20, kritisierte One-Mitarbeiter Guillaume Grosso.

Bei den kommenden Verhandlungen stehen vier große Punkte auf der Agenda. Wenn "die teuersten Tage in der kanadischen Geschichte" (so Gipfel-Kritiker im Vorfeld) noch Ergebnisse bringen sollen, dann sind hier Erfolge nötig.

Ein Überblick.

SCHULDENABBAU Was braucht die Weltwirtschaft dringender: solide Finanzen oder weitere Konjunkturprogramme? Die von der Griechenland-Krise schockierten Europäer wollen ihre Haushaltslöcher schließen. Deutschland und auch Großbritannien haben milliardenschwere Sparpakete aufgelegt. US-Präsident Barack Obama setzt dagegen auf Konsum und Geldausgeben. Er fürchtet, die Sparpakete in der EU könnten die Weltkonjunktur abwürgen.

WETTBEWERBSFÄHIGKEIT Export-orientierte Länder wie China, Japan und Deutschland, deren Bürger außerdem viel sparen, stehen in Toronto am Pranger. Ihnen wird vorgeworfen, auf Kosten anderer Länder hohe Überschüsse zu erwirtschaften. Sie stehen unter Druck etwa der USA, ihre Nachfrage anzukurbeln — sei es mit höheren Gehältern, niedrigeren Steuern oder mehr Staatsausgaben. Merkel weist die Kritik zurück. Schließlich müsse Europa als Einheit betrachtet werden. Und der EU-Handel insgesamt sei im Großen und Ganzen ausgeglichen, argumentiert sie.

EIGENKAPITAL Um künftige Krisen zu verhindern, sollen Banken mehr Eigenkapital vorhalten und Risikopuffer anlegen. Eigentlich sollten alle großen Finanzzentren bis 2011 die schärferen Basel-II-Regeln umgesetzt haben. Experten und Notenbanker verhandeln bereits über noch schärfere (Basel III). Die sollten bis Ende 2012 umgesetzt sein. Doch es bahnen sich mildere Reformen an. Auch der Zeitplan wackelt.

RATING-AGENTUREN Sie sollen auf EU-Ebene beaufsichtigt werden. Bis Ende des Jahres treten erste Regeln in Kraft. Europa stört sich auch am US-Oligopol von Standard & Poor's, Moody's und Fitch. Im Herbst soll es Vorschläge geben, wie deren Macht gebrochen werden kann.

(RP/RPO/ing/csi)
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